Die Juden und ihre Kultbauten am Oberrhein bis 1349
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später zu einem Wohnhaus profaniert wurde, gute Zeichnungen angefertigt128. Aus
ihnen erhellt eindeutig, daß man dem Bau von 1300 die Apsis in der Mitte der
Ostwand und den Okulus von 1,20 m Durchmesser darüber sowie das Portal der
Westwand zuschreiben muß. Die rechteckigen Fenster der Ostwand und die Türen
der Südwand, deren eine hochgelegen ist und daher Winkler zur Annahme
einer Frauenempore veranlaßte, sind nach Krautheimer erst im 15. Jahr-
hundert eingefügt worden, als das Haus profantiert, unterteilt und aufgestockt
wurde. Von einer Frauenschule oder sonstigen jüdischen Bauten ist in Rufach nichts
nachgewiesen.
Es bleibt uns noch übrig, eine Gruppe von Bauten zu betrachten, die im jüdi-
schen Kult eine besondere Rolle spielten und deshalb in keiner jüdischen Gemeinde
fehlten, nämlich die rituellen Bäder der jüdischen Frauen und Mädchen, die
Mikwaoth129.
Wie die Beschneidung der Männer und das Verbot des Genusses von Schweine-
fleisch muß auch die Anordnung, sich zu gewissen Zeiten einer rituellen Reinigung
zu unterziehen, nicht zum geringsten Teil in antiker Zeit auf hygienische Beweg-
gründe zurückgehen. Ursprünglich auch für Männer geboten, sich nach jeder
Pollution von sogenannten „levitischen Unreinigkeiten“ zu säubern, was tatsächlich
auch von frommen Juden wie z. B. Moses Maimonides, also bis ins 13. Jahrhundert
hinein befolgt wurde, galt diese kultische Vorschrift später (und bis heute noch)
lediglich für Frauen und Mädchen. Monatlich einmal, vor der Hochzeitsnacht und
nach der Niederkunft mußte die rituelle Reinigung im Kaltbad erfolgen, wobei
unter der Wartung eigens dazu berufener, von der Gemeinde für würdig befun-
dener alter Frauen in reinem, nicht hinzugetragenem Wasser untergetaucht werden
sollte. Auch Kultgegenstände hat man vor dem ersten Gebrauch in das Wasser der
Mikwe getaucht, wofür in Köln z. B. der runde Brunnen im Westteil der Synagoge
gedient haben könnte130. Das ursprünglich (3. Buch Mosis 15) geforderte fließende,
„lebendige“ Wasser, das bei Synagogen der Antike noch erreichbar war, konnte in
den Judenvierteln der mittelalterlichen Städte naturgemäß nicht zur Verfügung
stehen. Als Ersatz dafür diente Quell-, Grund- und Regenwasser, das sich in
eigens dafür angelegten Badeschächten klar und rein ansammeln sollte und nicht
beigebracht werden durfte; das hebräische Wort Mikwe heißt ja „Zusammenfluß“.
Die Mikwaoth sollten mindestens 800 Liter Wasser fassen können und mindestens
3 Quadratellen groß sein.
Von den zahlreichen mittelalterlichen Judenbädern sind noch sechs zugänglich,
fünf davon im Rheinland, drei allein in dem hier heute zu behandelnden Bereich
und Zeitraum. Gemeinsam sind allen diesen unterirdischen Bauten die Treppen-
läufe, die in die erforderliche Tiefe hinunterführen, die Sitznischen, Warte- bzw.
Auskleideräume, Lichtnischen und Nischen zum Ablegen der Badetücher, die Be-
leuchtung durch Oberlichter, die auch das Regenwasser auffingen, und schließlich
das eigentliche, über Stufen zu erreichende Tauchbecken. Wie bei den Synagogen
gibt es auch hier zwei Typen, die in ihrer Grundrißform recht verschieden sind:
128 Krautheimer a. a. O. S. 193 ff., Abb. 67 u. 68.
129 Vgl. zum folgenden Krautheimer a. a. O. S. 138 f. — Moses a. a. O. S. 117 ff. —•
Doppelfeld a. a. O. S. 102 ff. u. Abb. S. 90 — Mon. Jud. Kat. B 62—64. — O. Bocher,
Mittelalterliche Judenbäder. In: Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 21, 9 (1968), S. 587 ff.;
ferner: R. Andree, Zur Volkskunde der Juden (1881) S. 143.
130 Doppelfeld a. a. O. S. 119.
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später zu einem Wohnhaus profaniert wurde, gute Zeichnungen angefertigt128. Aus
ihnen erhellt eindeutig, daß man dem Bau von 1300 die Apsis in der Mitte der
Ostwand und den Okulus von 1,20 m Durchmesser darüber sowie das Portal der
Westwand zuschreiben muß. Die rechteckigen Fenster der Ostwand und die Türen
der Südwand, deren eine hochgelegen ist und daher Winkler zur Annahme
einer Frauenempore veranlaßte, sind nach Krautheimer erst im 15. Jahr-
hundert eingefügt worden, als das Haus profantiert, unterteilt und aufgestockt
wurde. Von einer Frauenschule oder sonstigen jüdischen Bauten ist in Rufach nichts
nachgewiesen.
Es bleibt uns noch übrig, eine Gruppe von Bauten zu betrachten, die im jüdi-
schen Kult eine besondere Rolle spielten und deshalb in keiner jüdischen Gemeinde
fehlten, nämlich die rituellen Bäder der jüdischen Frauen und Mädchen, die
Mikwaoth129.
Wie die Beschneidung der Männer und das Verbot des Genusses von Schweine-
fleisch muß auch die Anordnung, sich zu gewissen Zeiten einer rituellen Reinigung
zu unterziehen, nicht zum geringsten Teil in antiker Zeit auf hygienische Beweg-
gründe zurückgehen. Ursprünglich auch für Männer geboten, sich nach jeder
Pollution von sogenannten „levitischen Unreinigkeiten“ zu säubern, was tatsächlich
auch von frommen Juden wie z. B. Moses Maimonides, also bis ins 13. Jahrhundert
hinein befolgt wurde, galt diese kultische Vorschrift später (und bis heute noch)
lediglich für Frauen und Mädchen. Monatlich einmal, vor der Hochzeitsnacht und
nach der Niederkunft mußte die rituelle Reinigung im Kaltbad erfolgen, wobei
unter der Wartung eigens dazu berufener, von der Gemeinde für würdig befun-
dener alter Frauen in reinem, nicht hinzugetragenem Wasser untergetaucht werden
sollte. Auch Kultgegenstände hat man vor dem ersten Gebrauch in das Wasser der
Mikwe getaucht, wofür in Köln z. B. der runde Brunnen im Westteil der Synagoge
gedient haben könnte130. Das ursprünglich (3. Buch Mosis 15) geforderte fließende,
„lebendige“ Wasser, das bei Synagogen der Antike noch erreichbar war, konnte in
den Judenvierteln der mittelalterlichen Städte naturgemäß nicht zur Verfügung
stehen. Als Ersatz dafür diente Quell-, Grund- und Regenwasser, das sich in
eigens dafür angelegten Badeschächten klar und rein ansammeln sollte und nicht
beigebracht werden durfte; das hebräische Wort Mikwe heißt ja „Zusammenfluß“.
Die Mikwaoth sollten mindestens 800 Liter Wasser fassen können und mindestens
3 Quadratellen groß sein.
Von den zahlreichen mittelalterlichen Judenbädern sind noch sechs zugänglich,
fünf davon im Rheinland, drei allein in dem hier heute zu behandelnden Bereich
und Zeitraum. Gemeinsam sind allen diesen unterirdischen Bauten die Treppen-
läufe, die in die erforderliche Tiefe hinunterführen, die Sitznischen, Warte- bzw.
Auskleideräume, Lichtnischen und Nischen zum Ablegen der Badetücher, die Be-
leuchtung durch Oberlichter, die auch das Regenwasser auffingen, und schließlich
das eigentliche, über Stufen zu erreichende Tauchbecken. Wie bei den Synagogen
gibt es auch hier zwei Typen, die in ihrer Grundrißform recht verschieden sind:
128 Krautheimer a. a. O. S. 193 ff., Abb. 67 u. 68.
129 Vgl. zum folgenden Krautheimer a. a. O. S. 138 f. — Moses a. a. O. S. 117 ff. —•
Doppelfeld a. a. O. S. 102 ff. u. Abb. S. 90 — Mon. Jud. Kat. B 62—64. — O. Bocher,
Mittelalterliche Judenbäder. In: Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 21, 9 (1968), S. 587 ff.;
ferner: R. Andree, Zur Volkskunde der Juden (1881) S. 143.
130 Doppelfeld a. a. O. S. 119.