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Schäfer, Alfons [Editor]
Neue Forschungen zu Grundproblemen der badischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert — Oberrheinische Studien, Band 2: Karlsruhe: Kommissionsverlag G. Braun, 1973

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Haselier, Günther: Die Bildung des Landes Württemberg-Baden 1945/46
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https://doi.org/10.11588/diglit.52720#0301
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Haselier

samtentwicklung als wenig erfreulich. Doch das steht nicht zur Erörterung. Aber
es bedarf der gründlichen Überlegung, ob nicht die beiden in der amerikanischen
Zone liegenden Restteile von Baden und Württemberg mit sachlichem Gewinn
als Verwaltungseinheit konstituiert werden sollen. Der Blick auf die Karte zeigt,
daß Nordbaden — von Karlsruhe bis Wertheim — ein territorial unglückliches
Gebilde ist, verkehrspolitisch nur in der Rheinebene und östlich davon ange-
messen entwickelt, an sich zu klein, um atmen zu können, jetzt mit den Zer-
störungen von Mannheim, Karlsruhe und Pforzheim belastet. Der natürliche
Verkehrsweg, der kanalisierte Neckar, durchschneidet das Territorialgebilde in
seiner Mitte, aber er befruchtet es nicht.
Für dieses „Nordbaden“, das sich an den größer gebliebenen Körper Württem-
bergs anlehnt, wäre es ein Gewinn, bei seinen schwierigen Aufgaben die breitere
Grundlegung in der verwaltungsmäßigen Verbindung mit Württemberg zu fin-
den, aber auch für dessen Restbestand wäre die Vereinigung der beiden Gebilde
ein Gewinn. Denn der ganze, teils agrarisch wichtige (Oberschwaben), teils indu-
striell durchsetzte (Albtäler) Südteil wird im französischen Gebiet liegen (ein-
schließlich der Universität Tübingen). Stuttgart und die Industriestadt Heilbronn
sind auch äußerst stark vom Krieg betroffen, doch sind die Schädigungen pro-
zentual, auf das Gesamtgebiet bezogen, nicht so stark wie im restlichen Nord-
baden — also eine größere Heilungschance.
Die Verkehrslage ist so, daß die große Transversale Karlsruhe — Stuttgart —
Ulm, die Linie Mannheim — Bruchsal — Stuttgart starke Bänder der Verein-
heitlichung bilden, daß aber vor allem der Neckar mit Stromerzeugung und Koh-
lenbeförderung die für Württemberg immer wichtiger werdende Lebensader dar-
stellt. Daß die Begrenzung zu dem von Frankreich besetzten Gebiet nahe südlich
und östlich von Stuttgart läuft, weist das große Stuttgarter Industriegebiet nach
Norden und Nordwesten.
Leider gelang es nicht, hier statistische Unterlagen zu fassen, um mit Zahlen
ein ungefähres Bild der Bevölkerungszahl, der Berufsgliederung, der wirtschaft-
lichen Größenordnungen zu geben. Die Typik der beiden Gebiete ist insofern
verwandt, daß sie beide hochqualifizierte Fertigindustrie (Feinmechanik, Ma-
schinen) beherbergen, auch eine bedeutende Lebensmittelverarbeitung (Konser-
ven, Zucker); auf württembergischem Boden sind die ertragreicheren Salzvor-
kommen, deren Produkte als „Kompensation“ eine Rolle spielen. Die württem-
bergischen Textilbezirke liegen freilich z. Teil in der französischen Zone. Beide
Bezirke sind konfessionell in einer verwandten Mischung — eine Frage übrigens,
die heute an Bedeutung völlig zurücktritt.
Die gewissen stimmungsmäßigen Rivalitäten zwischen Württemberg und Ba-
den, die früher vorhanden waren — Karlsruhe fühlte sich durch den großen
Aufschwung Stuttgarts bedrängt —■ dürften nach meiner Meinung bei der Be-
urteilung der Gesamtfrage in dieser Notzeit keine Rolle spielen.
So wenig heute zu übersehen ist, ob und in welcher Artung eine einheitliche
deutsche Wirtschaftsregelung entwickelt werden wird und kann, soviel ist sicher,
daß für die innere Überwindung der Schwierigkeiten der Nähe ein größeres
 
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