Vorwort des Herausgebers
Oberrheinische Geschichte zu treiben, heißt sich stets auch die geistigen und politischen
Wirkungen zu vergegenwärtigen, mit denen Frankreich die Gestalt dieser historischen Land-
schaft seit dem Mittelalter in zunehmendem Maße mitgeprägt hat. Was hätte für die Arbeitsge-
meinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein daher näher gelegen, als sich im Jahr
der 200. Wiederkehr des Ausbruchs der großen Revolution dieser Wirkungen, die in jener Zeit
ein Höchstmaß an Intensität erreicht haben, nachforschend zu vergewissern? Den Vorschlag,
sich der universalhistorischen Thematik der Revolution aus der Sicht und mit den Mitteln der
historischen Landeskunde anzunehmen, hat sich der Vorstand ohne Zögern zu eigen gemacht
und der Ausrichtung einer Tagung im März 1989 in Speyer bereitwillig zugestimmt.
Sie machte sich Forschungsergebnisse zunutze, die vorwiegend von der jüngeren Genera-
tion zu den Themenkomplexen der vorrevolutionären Unruhen, der Revolutionierungsvor-
gänge auf dem flachen Land und in kleineren Städten sowie der Ausbreitungsmechanismen der
Revolutionspropaganda erarbeitet worden waren oder wurden. Gerade die seit den siebziger
Jahren verstärkten Forschungsbemühungen um die Mainzer Republik von 1792/93 hatten
bewußt gemacht, daß die Beschäftigung mit der Geschichte jener Jahre vom politisch-
historischen Selbstverständnis unserer Tage nicht unbeeinflußt bleibt. Gerade weil nicht
wenige Wurzeln unserer demokratischen Ordnung und des deutschen Frankreich- und wohl
auch des französischen Deutschlandverständnisses in diese Zeit zurückreichen, wurde mit der
Beschränkung auf die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts der eigentlich revolutionären Phase
ihre Eigenständigkeit für die historische Aussage zugebilligt; denn gewöhnlich hatte man,
wenn über die sogenannte »Franzosenzeit« im Rheinland nachgedacht und geschrieben
wurde, nur die Napoleonische Zeit im Blick.
Wenn, was verwundern mag, versucht wurde, das Allgemeine und Besondere mit den
Methoden der historischen Landeskunde zueinander in Beziehung zu setzen, so geschah das in
dem Bewußtsein, daß der Raum zwischen Basel und Mainz wie nirgendwo sonst Begegnung,
Durchdringung und Konfrontation von alter und moderner Verfassungsvorstellung erfahren
hat. Um sich die darin potentiell enthaltenen politischen und sozialen Gestaltungsmöglichkei-
ten zu veranschaulichen, mag man einmal von den Grenzziehungen und gesellschaftlichen
Verhältnissen des 19. Jahrhunderts absehen.
Aus der Zusammenschau vieler neuer Detailerkenntnisse hat sich ergeben, daß manche
Wirkungen sich gegenseitig wieder aufgehoben haben, so daß Aussagen schwerfallen, die dem
bisherigen Forschungsstand eine eindeutigere Richtung weisen könnten. Vielmehr zeigt sich
eine beträchtliche Ausweitung der Handlungs- und Verhaltensspielräume und eine deutliche
Verbreiterung des Spektrums oft überraschender Reaktionen auf die Revolution, ein Anstoß,
Oberrheinische Geschichte zu treiben, heißt sich stets auch die geistigen und politischen
Wirkungen zu vergegenwärtigen, mit denen Frankreich die Gestalt dieser historischen Land-
schaft seit dem Mittelalter in zunehmendem Maße mitgeprägt hat. Was hätte für die Arbeitsge-
meinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein daher näher gelegen, als sich im Jahr
der 200. Wiederkehr des Ausbruchs der großen Revolution dieser Wirkungen, die in jener Zeit
ein Höchstmaß an Intensität erreicht haben, nachforschend zu vergewissern? Den Vorschlag,
sich der universalhistorischen Thematik der Revolution aus der Sicht und mit den Mitteln der
historischen Landeskunde anzunehmen, hat sich der Vorstand ohne Zögern zu eigen gemacht
und der Ausrichtung einer Tagung im März 1989 in Speyer bereitwillig zugestimmt.
Sie machte sich Forschungsergebnisse zunutze, die vorwiegend von der jüngeren Genera-
tion zu den Themenkomplexen der vorrevolutionären Unruhen, der Revolutionierungsvor-
gänge auf dem flachen Land und in kleineren Städten sowie der Ausbreitungsmechanismen der
Revolutionspropaganda erarbeitet worden waren oder wurden. Gerade die seit den siebziger
Jahren verstärkten Forschungsbemühungen um die Mainzer Republik von 1792/93 hatten
bewußt gemacht, daß die Beschäftigung mit der Geschichte jener Jahre vom politisch-
historischen Selbstverständnis unserer Tage nicht unbeeinflußt bleibt. Gerade weil nicht
wenige Wurzeln unserer demokratischen Ordnung und des deutschen Frankreich- und wohl
auch des französischen Deutschlandverständnisses in diese Zeit zurückreichen, wurde mit der
Beschränkung auf die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts der eigentlich revolutionären Phase
ihre Eigenständigkeit für die historische Aussage zugebilligt; denn gewöhnlich hatte man,
wenn über die sogenannte »Franzosenzeit« im Rheinland nachgedacht und geschrieben
wurde, nur die Napoleonische Zeit im Blick.
Wenn, was verwundern mag, versucht wurde, das Allgemeine und Besondere mit den
Methoden der historischen Landeskunde zueinander in Beziehung zu setzen, so geschah das in
dem Bewußtsein, daß der Raum zwischen Basel und Mainz wie nirgendwo sonst Begegnung,
Durchdringung und Konfrontation von alter und moderner Verfassungsvorstellung erfahren
hat. Um sich die darin potentiell enthaltenen politischen und sozialen Gestaltungsmöglichkei-
ten zu veranschaulichen, mag man einmal von den Grenzziehungen und gesellschaftlichen
Verhältnissen des 19. Jahrhunderts absehen.
Aus der Zusammenschau vieler neuer Detailerkenntnisse hat sich ergeben, daß manche
Wirkungen sich gegenseitig wieder aufgehoben haben, so daß Aussagen schwerfallen, die dem
bisherigen Forschungsstand eine eindeutigere Richtung weisen könnten. Vielmehr zeigt sich
eine beträchtliche Ausweitung der Handlungs- und Verhaltensspielräume und eine deutliche
Verbreiterung des Spektrums oft überraschender Reaktionen auf die Revolution, ein Anstoß,