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Schwarzmaier, Hansmartin [Editor]; Krüger, Jürgen [Editor]; Krimm, Konrad [Editor]
Das Mittelalterbild des 19. Jahrhunderts am Oberrhein — Oberrheinische Studien, Band 22: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2004

DOI article:
Michels, Ulrich: Das Mittelalterbild in der Musik des 19. Jahrhunderts am Oberrhein
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52739#0241
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Das Mittelalterbild in der Musik
des 19. Jahrhunderts am Oberrhein

VON ULRICH MICHELS

Im Zentrum der Betrachtung steht die Schrift Über Reinheit der Tonkunst von Anton
Heinrich Justus Thibaut, erschienen in Heidelberg 1825, worin besonders an die alten
Meister in der Musik erinnert wird gegenüber den Modetrends der Gegenwart. Bei Thi-
baut lernt Robert Schumann 1829/30 alte Polyphonie kennen und entwickelt eine mittel-
alterlich eingefärbte Symbolkunst in Tönen. Es folgt noch ein Blick auf die auch am
Oberrhein ins Leben gerufenen altdeutsch orientierten Liedertafeln und auf Gottfried von
Straßburgs Tristanstoff in Wagners Operngewande in oberrheinischen Städten, insbeson-
dere in Mannheim, Karlsruhe und Straßburg.
1. Johann Wolfgang von Goethe auf der Suche nach alten Meistern
der Malerei in Heidelberg 1814/15
Die neue Zeitschrift der Weimarerischen Kunstfreunde Üher Kunst und Altertum beginnt
Goethe mit seinem titelgebenden Aufsatz, dessen vollständige Überschrift im Erstdruck
lautete: Über Kunst und Altertum in den Rhein- und Maingegenden von Goethe (Stuttgart
1816). Dahinter verbirgt sich bekanntlich Goethes Interesse an der altdeutschen Gemäl-
desammlung der Brüder Sulpiz und Melchior Boisseree, die im wesentlichen nach der Sä-
kularisation 1803 in Köln (übrigens recht preisgünstig) entstanden war, die sich vorüberge-
hend auch in Heidelberg befand und die wenig später nach München kam, wo sie König
Ludwig I. von Bayern erwarb und wo sie bis heute den zentralen Grundstock der Alten
Pinakothek bildet. Goethe war damals auf der Suche nach Mustern für die Kunst und die
Kunstschaffenden, ankämpfend gegen Beliebigkeit und Mittelmaß, wie es das anbrechende
bürgerliche Zeitalter quotengerecht hervorrief und begünstigte. Aber nicht nur die Klassi-
ker fanden Stoff in den alten Sammlungen, sondern auch die Romantiker, entsprechend
z.B.den anregenden Gedanken von Wilhelm Heinrich Wackenroders Herzensergießungen
eines kunstliebenden Klosterbruders (Berlin 1797), oder dessen von Ludwig Tieck postum
ergänzten und herausgegebenen Phantasien über die Kunst (Berlin 1799). Entsprechend
etwa auch den Gedanken der Gebrüder Schlegel und anderen mehr suchte und fand man
Erweiterung des bedrängten Herzens in idealen Zukunftsvisionen und in vergoldenden
Fernblicken in die Vergangenheit hinein, in die Antike, aber besonders gerne in das eu-
ropäische, in Deutschland in das deutsche Mittelalter. In dieser Zeit des Umbruchs und
Neubeginns liegt es also nahe, daß auch die Musiker mit entsprechenden Problemen und
entsprechendem Gedankengut umgingen: sowohl die Suche nach gültigen Mustern in der
 
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