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Krüger, Jürgen [Hrsg.]; Schwarzmaier, Hansmartin [Hrsg.]; Wennemuth, Udo [Hrsg.]
Das Evangelische Pfarrhaus im deutschsprachigen Südwesten — Oberrheinische Studien, Band 32: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2014

DOI Artikel:
Ehmer, Hermann: Das evangelische Pfarrhaus - eine Begriffsgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52749#0062

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DAS EVANGELISCHE PFARRHAUS - SOZIALE INSTITUTION IM WANDEL DER ZEITEN

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Das Pfarrhaus und das deutsche Volk
Das besondere Interesse Angermanns und die Zielsetzung seines Pfarrhausarchivs zeigt
sich in seiner 1939 erschienenen Publikation »Was für Männer gab das evangelische
Pfarrhaus dem deutschen Volke?«65 Er stellt hier eingangs dar, dass schon eine ganze
Anzahl von Geistlichen vor Luther in die Ehe getreten ist, schließlich war es aber doch
Luther, von dem diese Wandlung ausging66 67. Hat er damit unserem Volke etwas Gutes
gegeben? Das wird danach zu entscheiden sein, ob das evangelische Pfarrhaus seinerseits
unserem Volke Gutes zu geben vermocht hat. Angermann will diese Frage von den Pfar-
rersnachkommen her beleuchten. Es ist völkisches und staatliches Anliegen geworden,
den Bevölkerungsstand an Zahl und Kraft um des Ganzen willen nachdrücklich zu stär-
ken. Als notwendiger Zuwachs wird 3,2 bezeichnet, auf je 10 Ehen durchschnittlich
32 Kinder. Auch ein etwas höheres Soll von 3,4 ist errechnet worden. Er kann hierfür eine
Äußerung des Statistischen Reichsamts zitieren: Allen bisherigen Beobachtungen und
Untersuchungen nach dürfte der Pfarrerstand einer der wenigen Stände des deutschen
Volkes und der einzige Stand der die geistigen Berufe vertretenden Schichten sein, der
das biologisch notwendige Geburtensoll erreicht.
Angermann lässt sich hier also auf eine zeitgenössische Argumentation ein, doch soll
es ihm nicht bloß um den zahlenmäßigen, physischen Beitrag des evangelischen Pfarr-
hauses zum Leben der Nation gehen. Vielmehr will er die Fragen beantworten: Welche
Männer gab es unserem Volke? Waren sie von Wert? Haben sie etwas geleistet? Waren
und sind es Männer, von denen unser Volk für seine friedliche Entwicklung wie in Zeiten
des Kampfes und der Not einen Gewinn gehabt hat?
Angermann zählt hier nun eine bunte Reihe von Pfarrerssöhnen auf, angefangen von
dem Tübinger Gräzisten Martin Crusius und dem von ihm befehdeten Nikodemus
Frischlin. Diese beiden gelten dem Verfasser als Beweis, daß die Sprößlinge des evange-
lischen Pfarrhauses nicht etwa allesamt Muster von Sanftmut und Friedfertigkeit gewe-
sen sindb7. In zeitlicher Reihenfolge werden Pfarrerssöhne aufgezählt, die sich in den
unterschiedlichsten Fächern verdient gemacht haben, natürlich auch als Geistliche wie
Johann Arndt und Johann Valentin Andreae und selbstverständlich als Dichter wie Paul
Fleming und Andreas Gryphius, Juristen wie Hermann Conring, Historiker wie Sa-
muel Pufendorf und August Ludwig Schlözer, Mathematiker wie Leonhard Euler.
Besonderen Wert legt der Verfasser auf Pfarrerssöhne als Teilnehmer am Ersten Welt-
krieg, wie den Admiral Reinhard Scheer (1863-1928) und viele andere, deren Namen
heute nicht mehr so geläufig sind. Nicht fehlen darf hier die Statistik, nach der von den
bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs an den deutschen Universitäten befindlichen Stu-
denten 22,1 % fielen, den höchsten Blutzoll von allen Fächern aber die evangelischen
Theologen mit 36,3 % entrichtet haben. Angermann fährt dann fort: Einen genaueren
Einblick in die Beteiligung des evangelischen Pfarrhauses am Weltkrieg wird das neue

65 A. Angermann, Was für Männer gab das evangelische Pfarrhaus dem deutschen Volke? Es-
sen 1939. Von 1940 datiert die 9. Auflage
66 Das Folgende nach Angermann, Was für Männer (wie Anm. 65), S. 8f.
67 Angermann, Was für Männer (wie Anm. 65), S. 11.
 
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