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55

sind den Werken beider Schulen gemein und finden sich auch anderwärts bei gleich-
zeitigen Arbeiten.

Am Schlüsse seiner Besprechung der St. Gallener Meisterwerke spricht R. Rahn
die Vermutlumg ans, dass die Initial-Ornamentik derselben für eine ganze Reihe von Praeht-
handschriften des IX. und X. Jahrhunderts tonangebend gewirkt habe*). Unseres Er-
achtens muss das Kloster des heiligen Gallus diese Ehre mit der Pirminsstiftung der
Augia dives zum mindesten theilen, und sogar fast ganz abtreten, wenn man annehmen
darf, dass die Reichenauer Schule, welche noch in der Mitte des IX. Jahrhunderts die
Kräfte zur Ausmalung der Prälatur des St. Gallener Klosters herleihen musste**), und
sogar zur Zeit der Nachblüthe Leistungen wie das Heidelberger Sacranientar und den
Egbert-Codex hervorzubringen im Stande war, dass diese Schule auch die Vorbilder für die
um die Mitte des IX. Jahrhunderts unter Abt Grimald emporstrebende Schreibschule des
benachbarten Klosters geliefert habe. Ein abschliessendes Urtheil dürfte in Folge des
Mangels an genügendem Vergleichungematerial schwer zu füllen sein.

Der Einband unserer Bandschrift ist völlig schmucklos und wohl zu der Zeit
hergestellt, als das ausser Gebrauch gesetzte Sacranientar in die Kloster-Bücherei zurück-
wanderte, und der frühere kostbare Einband anderweitig verwendet wurde. Damals sind
auch wahrscheinlich die jetzt noch vorhandenen, dünn gewebten Lappen zum Schutze der
hervorragendsten Miniaturen auf das Pergament aufgenäht worden.

III. Cod. Sah IX, 57.

Dies dem Ausgange des X. oder Anfange des XI. Jahrhunderts angehörige Ms.,
welches ein Martyrol ogium (Usuardi) per circuluni anni, einen vollständigen Kirchen-
kalender und ein unvollständiges Lektionar enthält, ist wahrscheinlich in Peters-
hausen geschrieben worden. Die drei Theile stammen aus derselben Zeit, aber von ver-
schiedener Hand; dabei sind der vordere und hintere Theil hinsichtlich der Initialen völlig
gleich behandelt. Letztere unterscheiden sich in 1) grössere, welche mit blau-grün***)
oder hellgelb-grün gefärbten Zwischengründen versehen sind (auf foll. 1", 61a und 731'),
und 2) kleinere, welche in flüchtigerer Weise nur feine rothe Umrisslinien vorgezeichnet
enthalten (auf foll. 5»', 9» 12'», 16«, 21«, 25'>, 29'', 34'', 39«, 43'', 48'', 87«, 103« und
104a). Der Stil der Buchstaben zeigt die Weiterbildung des Rankenwerkes unter völliger

*) Psalt. aureum S. 55.
**) S. Katpert, Gasns Mon. .St. Galli, od. Meyer v. Kronau (Mitth. z. vaterl. Gesch., herausgeg. vom
histor. Verein in St Gallen, Nene Folge, Heft X St. Gallen 1872).
***) S. o. S. 51.
 
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