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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 26.1930

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Gaheis, Alexander: Das römische Tür- und Kastenschloß
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https://doi.org/10.11588/diglit.62075#0274
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239

Alexander Gaheis

240

Um sich das Zusperren zu vergegen-
wärtigen, hat man sich die oben beschriebenen
Phasen rückläufig ausgeführt zu denken.
Die Dimensionen von Schloß und
Schlüssel stehen selbstredend zueinander im
bestimmten Verhältnis. Der senkrechte Schlitz
des Schlüsselloches hat der Stirnseite
des Bartes zu entsprechen, der waagrecht daran
ansetzende müßte eigentlich mit der lichten
Weite der Riegelkammer übereinstimmen.
Denn um soviel muß der Riegel zurück-
gezogen werden, sollen alle pessuli die Riegel-
kammer passieren und auf dem Riegelblatt auf-
sitzen. Das ist aber gar nicht nötig; es genügt,
wenn der vorstehende Teil des Riegels in der
Tür verschwindet, mögen auch noch einige
pessuli über der Kammer stehen. Sie können
ohnehin nicht einsinken, weil die Bartzähne
den leeren Raum ausgefüllt haben. Tatsäch-
lich ist bei den meisten der erhaltenen Schloß-
bleche der waagrechte Schlitz sehr kurz, kürzer
als die Kammer an den erhaltenen Riegeln.
Nicht so auf dem schweren Blech eines Tor-
schlosses (Abb. 112 a). Hier griff eben der Riegel
zu größerer Sicherheit weit in den Türstock
ein 8).
Die Höhe des waagrechten Ausschnittes
muß der Dicke des Schlüsselhalses entsprechen,
hat also schmäler zu sein als der vertikale.
Bei den großen Torschloßblechen ist dieses Ver-
hältnis auch eingehalten, oft aber zeigt sich
kein Unterschied, ja vereinzelt ist gerade das
Umgekehrte der Fall. Dann ist eben nicht exakt
gearbeitet. Ist dieser Schlitz zu hoch, dann
wird auch die Seite der Riegelkammer in ihm
sichtbar, was zwar bei einem Schlüssel mit
tiefstehendem Bart immer der Fall ist, bei hoch-
sitzendem Bart aber nicht notwendig wäre.
Beim Schlüssel stehen selbstverständ-
lich die Zähne in engster Beziehung zu den

Einarbeitungen im Riegel und zur Anordnung
der pessuli. Die Höhe der Zähne ist dadurch
gegeben, daß sie in die Riegelkammer (oder,
wenn keine solche vorhanden ist, in die Ein-
kerbungen des Riegels) eingeführt, genau bis
zu seiner Oberfläche reichen.
Die Länge des Schlüsselhalses hat theo-
retisch der Dicke der Holzwand, hinter der das
Schloß angebracht ist, vermehrt um die Riegel-
kammerwand zu entsprechen. Ist dieses Ver-
hältnis genau eingehalten, so wird die Verbrei-
terung des Griffes am Schloßblech aufsitzen9).
Über die Breite des Schlüsselhalses ist
bereits oben S. 237 f. gesprochen worden.
Mit dem Vorschieben des Riegels allein ist
es natürlich noch nicht getan; er muß auch
irgendwo eingreifen. In unserm Modell ist an-
genommen, daß er in den Türstock greift.
Das tatsächliche Vorkommen einer solchen
direkten Sperre ist zwar vorauszusetzen, der
Beweis hiefür ergibt sich aber erst, wenn wir
die zweite Art der Sperre — eine indirekte mit
Vorlegeband — behandelt und gezeigt haben,
daß gewisse Merkmale an den vorhandenen
Stücken die Zugehörigkeit zu letzterer aus-
schließen (s. S. 243 f.).
Ein Schloß mit direkter Sperre wäre aber,
da der Schlüssel nicht entfernt werden kann,
solang die Tür offen ist (s. oben S. 238), nur an
Türen von Vorratskammern, Grabgewölben
u. dgl. zu verwenden, die wieder verschlossen
werden, wenn der Betreffende das Gemach
verlassen hat. Da darf ja der Schlüssel bei ge-
öffneter Tür stecken bleiben.
Bei einer Haustür aber muß ich den
Schlüssel außen abziehen, die Türe einfallen
lassen und sie dann von innen verriegeln oder
versperren. Das wäre aber beim Schubschloß
nicht möglich, weil beim Abziehen des Schlüs-
sels der Riegel vorsteht.

8) Ein ähnliches, noch größeres Schloßblech
der Ennser Sammlung, wo der waagrechte Ausschnitt
des Schlüsselloches 0-057 m beträgt, bleibt hier außer
Betracht, weil dieser statt nach rechts nach links
hin abzweigt.
9) Daß die Verbreiterung des Griffes — ur-
sprünglich wenigstens — den Zweck hatte, den
Schlüssel nicht weiter als nötig eindringen zu lassen,
ist als sicher vorauszusetzen. Dies konnte freilich

auch ein im Schloß selbst befindlicher Widerstand
besorgen, so bei den Schlüsseln, die keinen gerad-
linigen Abschluß des Griffblattes gegen den Bart
hin zeigen, wie bei a in Abb. 110. Trotz der bestehen-
den Möglichkeit aber, daß der Schlüsselhals nicht
immer zur Gänze ins Schloß eingeführt worden sei,
wird doch bei Schlüsseln, deren Hals besonders lang
ist, anzunehmen sein, daß das Schloß hinter der Tür
saß und eine massive Wand zu durchfahren war.
 
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