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Rückblick.

Und was ist es nun, das man sagt? Was für Bilder sieht
man?-
Da sind die Götter. Bald sind sie handelnde Personen ge-
blieben, zwar arm an göttlicher Majestät, zu alltäglichem, ja vul-
gärem Charakter herabgesunken. Bald sind sie willenlose Bestand-
teile der Opfermaschinerie geworden. Vor allem aber durchsichtige
Hüllen, hinter denen das in Wahrheit Seiende erscheint: die welt-
erfüllenden Substanzen.
Diese Substanzen — zum einen Teil gehören sie dem Natur-
leben an, zum andern dem Leben der Persönlichkeit oder auch der
Sphäre des Opfers, der Opferliturgien: da sind Weltgegenden und
Jahreszeiten, Atemkräfte, Opfergeräte, Versmaße, unübersehbare
Mengen andrer solcher Wesenheiten. Uralter Zauberglaube hat sein
Teil beigesteuert von zauberhaften Substanzen, Mächten, Fluiden.
Beginnende Selbstbeobachtung, unbehilfliche Anfänge psychologischer
Analyse heben auch die Kräfte des Ich hervor. Wenn mit all dem
jetzt, in ganz anderm Maße als in der rigvedischen Vergangenheit,
auch die Potenzen und Ordnungen des Opfers, zu Substanzen ver-
dichtet, in eine Reihe getreten sind, ist dies das Werk priesterlicher,
unermüdlich ihre Fäden spinnender Grübelei.
Wie wird nun das Dasein dieser Wesen, die so verschiedenem
Ursprung entstammen, vorgestellt? Gleich einem Jongleur, der alles
in alles verwandelt, zaubert man ihr Bild hin und her. Bald tut
sich in ihnen persönliches Leben auf — dumpfe Persönlichkeit mit
niederen Lebensäußerungen, Furcht, Laune, Begehrlichkeit. Bald
zeigt sich vielmehr ein fließendes, schwimmendes Etwas, eine Art
umherströmender oder luftig schwirrender oder auch kompakter Materie.
Gleichviel ob es sich um ein konkretes Naturwefen handelt, oder um
etwas andres, vielleicht eine Opferordnung: nichts steht fest in den
Grenzen feiner Wesenheit. Was für Sein oder Tun einer jeden
Substanz beigelegt wird, bestimmt sich nicht oder nur zum geringen
Teil danach, was man an ihr sieht, was man mit ihr erlebt. Es
bestimmt sich vielmehr nach der Laune, die ihr dies oder das Sein,
dies und das Handeln — im nächsten Augenblick vielleicht ein ganz
andres — zudiktiert. Himmel und Erde und Versmaße und Sonne
und Aus- und Einatmen und die Heiligkeit der Opferformel lassen
ihre Wirkungen sich zu einem unlösbaren Knäuel verschlingen. Sie
gehen, wie irgend ein unberechenbarer Einfall sie treibt oder der
priesterliche Zauber sie führt, mit ihren Kräften in einander ein,
 
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