DER MANTEL DES TEUFELS
Nach der GogolscKen Novel’e „Jahrmarkt in Sorotschintzy“ bearbeitet von J. T i c b y. Mit 5 Zeichnungen von
Otto Linnekogel.
MIT verschwenderischem Glanze strahlte
einer der Tage des heißen August im
Jahre 18 .., 18 .., nun so dreißig Jahre mag es
her sein, als sich auf dem Jahrmarktsplatz in
Sorotschintzy eine (unübersehbare, bunte) han-
delnde und feilschende Menge drängte, über der
ein Brausen und Rauschen lag wie von einem
entfernten Wasserfall, in dessen brodelndem
Gischt jedes gesprochene Wort unrettbar er-
trinkt. Bei den endlosen Begrüßungen, die
immer wieder Bekannte von einem Ende des
Platzes zum andern austauschten, fiel die Haupt-
rolle den geschwenkten Mützen zu, während
die Lippen ihrer Träger sich nur wie im Traum
lautlos zu bewegen schienen.
Besonders oft mußte solche Grüße ein Bauer
erwidern, der, bedächtig von Wagen zuWagen
schreitend, die Waren prüfte und die Preise
verglich, während seine Gedanken unablässig
um 10 Säcke Weizen und um eine alte Stute
kreisten, die er zum Verkauf hierher gebracht
hatte. Dem aufmerksamen Beobachter war es
übrigens bald klar, daß die verschiedenen jünge-
ren und älteren Häupter sich nicht ihm zuliebe
so höflich entblößten. Diejenige aber, der die
Ehrerbietigkeit eigentlich galt, das braunäugige,
rosenlippige Töchterlein des Bauern, nickte nur
selten mit ihrem bezaubernden Köpfchen, auf
dem die mit Bändern und Blumen durchfloch-
tenen Zöpfe wie eine prächtige Krone ruhten.
Sie hatte alles um sich her vergessen, Mehl und
Weizen und selbst Ohrgehänge und Messing-
kreuze, und sich aus der Flut nie gesehener
Eindrücke — nach schweren Kämpfen mit der
bösen Stiefmutter war es dem Bauer diesmal
gelungen, sein achtzehnjähriges Mädchen auf
den Jahrmarkt mitzunehmen — auf eine sonnige,
einsame Insel gerettet. Ihr Geist weilte auf der
Brücke vor der Stadt, und sie sah noch immer
den Burschen mit dem weißen Rock und der
grauen Lammfelimütze vor sich, der sie beim
Vorüberfahren so feurigen Auges angeblickt
und so schmeichelhaft begrüßt hatte. Noch
klang ihr der Wortwechsel in den Ohren, der
sich zwischen ihm und der Stiefmutter ent-
sponnen hatte, und bei dem Gedanken an den
Kotklumpen, der als würdiger Schlußpunkt zu-
der lieblichen Unterhaltung die neue Kattun-
mütze der Stiefmutter traf, mußte sie herzlich
auflachen. . .
Da spürte sie auf einmal, wie sie jemand am
Ärmel zupfte. Sie wandte sich um — und der
Bursche im weißen Rock stand vor ihr. Jede»
Äderchen erschauerte in ihr, und das Herz
begann zu klopfen wie noch nie in ihrem Leben,
bei keiner Freude, bei keinem Schmerz. Als er
gar ihr Händchen ergriff und feurige ^Vorte
zu flüstern begann, da durchströmte irgendeine
unbekannte Kraft ihren ganzen Körper, und
überzeugt, daß nur der Teufel solche Macht
haben könne, hätte sie ihm am liebsten die
Hand entzogen, — wenn sie nur gekonnt hätte-
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