DIE GOLDENEN GÄRTEN
Von Karl Hans Strobl. Mit 3 Zeichnungen von Sascha Kronburg
ist du es, Johanna, über
mich geneigt, die Hand
auf meinen Haaren, Duft
regnend auf mich, im
Ausschnitt meines Be-
wußtseins ein Bild, um-
rahmt von samtener
Schwärze? Fasse meine
Hand, laß mich dich halten, damit du dich
mir nicht wandelst, kühl sind deine Finger,
Metall, Griff und Festigkeit im Zerfließenden.
Ein Polyp ist mein Mund, festgesaugt an deine
Lippen.
Warum zerrinnst du mir ? Ich will versinken
in dir, du weichst, ziehst dich zurück, umspülst
mich grausam, ohne mich zu tragen, wie letzter
Brandungssaum den verschmachtenden Fisch
ballst dich aufs neue zusammen, gebierst die an-
dere aus dir — Juana, hist du da ? Dein Blick ver-
brennt mich, deine starren, bronzenen Brüste
drohen Vergewaltigung, die Bräune deiner
Haut dörrt mich aus, das Weiße deiner Augen
ist vom Fittich eines Dämons herabgeschneit.
Die kupferne Schlange um dein Handgelenk
hebt den Kopf, zischt, glühend stechen die
Rubinen zu seiten des schuppigen Kopfes in
mein Fleisch.
Gehst du mir wieder die enge Treppe im
Hause deines Vaters voran, das auf den Trüm-
mern des Palastes steht, der die letzten Tage
des letzten Inka umfing? Atahuallpa, Gefan-
gener Pizarros, Opfer des Dominikaners Vicente
de Valverde. Christ aus Todesangst, keiner
anderen christlichen Barmherzigkeit teilhaftig,
als der, nicht lebendig verbrannt, sondern öffent-
lich erdrosselt zu werden! War Ergebung oder
Haß letzte Regung deines Blutes, Vergehung
oder Rache, hindurchsickernd durch dein gan-
zes Geschlecht, von Eltern zu Kindern, bis zu
dieser fernen Urenkelin, die mich führt? König-
lich und gefährlich ist sie, stolz und verschla-
gen, von uraltem Unrecht nicht zerdrückt und
aufrecht inmitten der Verkommenheit.
Seltsam klebt in den Ruinen des Inkapalastes
das Nest der Astorpilcos, der Vater, mürrisch
in grauen Haaren, die wortreiche Mutter, eine
Warnung vielleicht vor der Zukunft Juanas.
der Bruder, Nichtstuer, Nachäffer spanischer
Großartigkeit in Tennishosen, von der Schwe-
ster kühl durch Spott ferngehalten. Armselige
Geschlechterfolgen haben Leben auf Lehen hier
aufgeschichtet, bedeutungsloses Sein, grau im
Alltag: eine glühende Ader aus der Tiefe
bricht Juana durch Verkommenheit, tönt wie
helles Erz im tauben Gestein.
Voranschreitend durch Trümmerwerk zieht
sie mich magisch nach sich.
Wo bist du, Joh anna, warum überläßt du mich
ihr? Warum wirfst du dich ihr nicht entge-
gen, mit der ganzen Kraft deines Wesens,
warum lieferst du mich den Tagen von Caja-
marca aus?
Leis überfuhr mich ein Schauer, als sie ihren
Namen nannte: Juana, Den deinen, Johanna,
spanisch gewendet!
Gehorsam war ihr der Stein, öffnete sich
sacht, wo sie ging, umfing sie mit zärtlichem
Dunkel verfallener Stiegen, streichelte mitüber-
hängenden Ranken ihr Gesicht. Quadersteine
saßen dem Boden auf, bunte Ziegel waren aus
Kieszement gebröckelt, Treppen im Felsen stie-
gen auf zu Fenstern in Höhen, stiegen ab zu
ausgemeißelten Becken in der Tiefe. Alles war
voll Raunen, Flügelschlägen, W^ehen, wie durch
schleierdünne Vorhänge gingen wir, spinn weh-
zarte, Hauch über Gesicht und Hände. Dann
prallte wieder grell nacktes Mauerwerk, saft-
los und bullig hingehämmert, brutale Ewigkeit.
„Das Fußbad des Inka“, sagte Juana, wir stan-
den auf gemustertem Steinboden, Ziegelwände
um uns, mit Mäulern von Röhren in zersetzten
Fratzen.
Weiter im Gemäuer schachtelte ein Zimmer,
ein klaffender Spalt in der Decke schüttete
Licht aus über Atahuallpas einstiges Gefängnis.
Roter Strich an der Wand war das Zeichen,
Schandmal der Gier. Bis dahin wollte er
Lösegeld türmen, Pizarros Gefangener, Gold
aus allen Sonnentempeln des Landes, aus Cejco
Pachacamac, Huamachuco, Huaylas. Gold half
ihm nicht, so wenig wie die Taufe, aber eine
feierliche Totenmesse bekam er, ein schönes
Begräbnis. Die Gebrüder Pizarro gingen in
Trauerkleidern hinter der Leiche. Gift hauchte
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