(decken liegen über ihnen und bitterkalt ist’s
draußen. W^ir feiern hier ein Fest und trinken
Wein und essen Kuchen. Jeder Gast ist uns
willkommen. Aber die Bilder der Heiligen
hängen frei und offen da, und jeder kann sie
sehen und grüßen; aber die junge Frau hat ihr
Antlitz nicht verhüllt — jeder kann sie sehen
und grüßen!“
Der sonderbare Gast sah sich gemächlich
um und schenkte sich neuen Wein ein. Dann
sprach er mit hohler Stimme, und seine gelben
Zähne, so groß und scharf wie Eberhauer,
klapperten:
„Liebwerter Wirt und liebwerte ^Wirtin
und liebwerte Gäste! Ich biete keinen Gruß
und brauche keinen Gruß und keine Einladung.
Ich bin ein Landmann und ernte das ganze
Jahr hindurch. Ich wähle das schönste und
fetteste Gras und schneidees mit meiner Sense.“
Und die lange Sense klapperte auf seinen
Rückenknochen.
Und die Gäste sahen einander an und schwie-
gen. Und als sie wieder eine Weile lang ge-
trunken und gegessen hatten, stand der sonder-
bare Gast auf, trat vor die junge Frau, klap-
perte mit den Knochen und den Zähnen und
sprach:
„Auf gute Speis und guten Trunk gehört
ein Kuß von Lippen jung.“
Und breitete seine Knochenarme aus und
wollte Mascha küssen. Und Iwan wurde von
gewaltigem Zorn ergriffen, und seine Stimme
schallte lauter als alle Stimmen der Waldtiere
zusammengenommen:
„Liebwerter Gast! Der Pope sprach den
Segen, und die Wangen der jungen Frau, so
weiß wie Milch, und
die Lippen der jungen
Frau, so rot wie Blut,
sie warten auf den Kuß
des Ehegemahls!“
Aber der sonderbare
Gast sprach und klap-
perte mit den Zähnen:
„Liebwerter ^Virt!
Das Gras auf derW^ie-
se wächst und der
Schnitter schneidet es,
wann er will, ohne zu
fragen. Wohl bin ich
ein armer Landmann, aber ich frage nicht nach
Zeit und Willen. Und wen ich geküßt habe,
den schneide ich bald darauf.“
Und wie sich die junge Frau auch sträubte,
— der sonderbare Gast umfing sie mit seinen
Armen, daß ihr kalt und bange wurde. Und
schon war sein gelber, klappernder Knochen-
mund nahe an ihren rosigen Sammetwangen,
da sprang Iwan hinzu und riß ihn hinweg, und
schrie in furchtbarem Zorn so laut, daß die
hundert Glocken auf den hundert Türmen der
hundert Schlösser in Bewegung kamen und zu
läuten begannen:
„Liebwerter Gast! Reich ist der Tisch ge-
deckt, es fehlt weder an W’ein noch an Honig,
noch an Kuchen; und die Stube ist warm.
Aber auch dieTüre ist nicht verriegelt, und es
wird niemandem Zwang angetan, der gehen
will, Gastfreundschaft ist heilig, und ich bin
deiner froh und du bist mir und meinen Gästen
willkommen; aber draußen ist es wärmer ge-
worden und die MVege sind wieder zu sehen.
Und wenn auch der W'ein noch immer bitter
schmeckt, so will ich gerne das meinige tun.“
Und die Gäste atmeten auf und lachten und
schrien:
„Der Wein ist bitter, Herr Wirt! Der
Wein ist bitter, Frau Wirtin!“
Und die jungenEheleute küßten sich dreimal,
und wieder wurde der W'ein süß. Der sonder-
bare Gast aber rasselte mit den Knochen, rückte
seine Sense zurecht und setzte sich wieder
an den Tisch.
Und sie tranken und feierten, und die Neu-
vermählten sahen des öfteren nach einer Tür,
die in ein anderes Zimmer führte, und wünschten
den Gästen von ganzem
Herzen, sie möchten
doch recht bald satt und
trunken werden. Schon
lag so mancher von
den rüstigsten Gästen
unter dem Tische oder
an der Brust des trö-
stenden Nachbarn, als
der sonderbare Gast
wiederum aufstand und
vor die junge Frau trat.
Klapperte mit Knochen
und Zähnen und sprach:
2
draußen. W^ir feiern hier ein Fest und trinken
Wein und essen Kuchen. Jeder Gast ist uns
willkommen. Aber die Bilder der Heiligen
hängen frei und offen da, und jeder kann sie
sehen und grüßen; aber die junge Frau hat ihr
Antlitz nicht verhüllt — jeder kann sie sehen
und grüßen!“
Der sonderbare Gast sah sich gemächlich
um und schenkte sich neuen Wein ein. Dann
sprach er mit hohler Stimme, und seine gelben
Zähne, so groß und scharf wie Eberhauer,
klapperten:
„Liebwerter Wirt und liebwerte ^Wirtin
und liebwerte Gäste! Ich biete keinen Gruß
und brauche keinen Gruß und keine Einladung.
Ich bin ein Landmann und ernte das ganze
Jahr hindurch. Ich wähle das schönste und
fetteste Gras und schneidees mit meiner Sense.“
Und die lange Sense klapperte auf seinen
Rückenknochen.
Und die Gäste sahen einander an und schwie-
gen. Und als sie wieder eine Weile lang ge-
trunken und gegessen hatten, stand der sonder-
bare Gast auf, trat vor die junge Frau, klap-
perte mit den Knochen und den Zähnen und
sprach:
„Auf gute Speis und guten Trunk gehört
ein Kuß von Lippen jung.“
Und breitete seine Knochenarme aus und
wollte Mascha küssen. Und Iwan wurde von
gewaltigem Zorn ergriffen, und seine Stimme
schallte lauter als alle Stimmen der Waldtiere
zusammengenommen:
„Liebwerter Gast! Der Pope sprach den
Segen, und die Wangen der jungen Frau, so
weiß wie Milch, und
die Lippen der jungen
Frau, so rot wie Blut,
sie warten auf den Kuß
des Ehegemahls!“
Aber der sonderbare
Gast sprach und klap-
perte mit den Zähnen:
„Liebwerter ^Virt!
Das Gras auf derW^ie-
se wächst und der
Schnitter schneidet es,
wann er will, ohne zu
fragen. Wohl bin ich
ein armer Landmann, aber ich frage nicht nach
Zeit und Willen. Und wen ich geküßt habe,
den schneide ich bald darauf.“
Und wie sich die junge Frau auch sträubte,
— der sonderbare Gast umfing sie mit seinen
Armen, daß ihr kalt und bange wurde. Und
schon war sein gelber, klappernder Knochen-
mund nahe an ihren rosigen Sammetwangen,
da sprang Iwan hinzu und riß ihn hinweg, und
schrie in furchtbarem Zorn so laut, daß die
hundert Glocken auf den hundert Türmen der
hundert Schlösser in Bewegung kamen und zu
läuten begannen:
„Liebwerter Gast! Reich ist der Tisch ge-
deckt, es fehlt weder an W’ein noch an Honig,
noch an Kuchen; und die Stube ist warm.
Aber auch dieTüre ist nicht verriegelt, und es
wird niemandem Zwang angetan, der gehen
will, Gastfreundschaft ist heilig, und ich bin
deiner froh und du bist mir und meinen Gästen
willkommen; aber draußen ist es wärmer ge-
worden und die MVege sind wieder zu sehen.
Und wenn auch der W'ein noch immer bitter
schmeckt, so will ich gerne das meinige tun.“
Und die Gäste atmeten auf und lachten und
schrien:
„Der Wein ist bitter, Herr Wirt! Der
Wein ist bitter, Frau Wirtin!“
Und die jungenEheleute küßten sich dreimal,
und wieder wurde der W'ein süß. Der sonder-
bare Gast aber rasselte mit den Knochen, rückte
seine Sense zurecht und setzte sich wieder
an den Tisch.
Und sie tranken und feierten, und die Neu-
vermählten sahen des öfteren nach einer Tür,
die in ein anderes Zimmer führte, und wünschten
den Gästen von ganzem
Herzen, sie möchten
doch recht bald satt und
trunken werden. Schon
lag so mancher von
den rüstigsten Gästen
unter dem Tische oder
an der Brust des trö-
stenden Nachbarn, als
der sonderbare Gast
wiederum aufstand und
vor die junge Frau trat.
Klapperte mit Knochen
und Zähnen und sprach:
2