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hie# Bababec, war nackt wie ein Affe und trug
eine dicke Kette um den Hals, die mehr als
sechzig Pfund wog. Er saß auf einem Holz-
schemel, der sorgfältig mit kleinen Nagel-
spitzen bespickt war, die ihm in sein Sitzfleisch
drangen. Dennoch hätte man glauben mögen,
dal? er auf einem Atlasbette ruhe. Es kamen
viele Frauen zu ihm, um ihn um Rat zu fragen.
Er war nämlich so eine Art Familienorakel
und man kann sagen, dal? er sich eines sehr
großen Ansehens erfreute. Ich wurde Zeuge der
langen Unterredung, die Omri mit ihm hatte.

„Glaubt Ihr, mein Vater/’ fragte er ihn, „daß
ich in Brahmas Reich Einlaß finden kann,
wenn ich durch die Prüfung der siebenfachen
Seelenwanderung gegangen hin?“

„Das kommt darauf an,“ antwortete der
Fakir. „Was für ein Leben führt Ihr denn?“
Und Omri antwortete : „Ich bemühe mich, ein
guter Staatsbürger, ein guter Gatte, Vater und
Freund zu sein. Ich leihe gelegentlich mein
Geld zinsenlos den Reichen, beschenke die
Armen und lebe in Frieden mit meinen Nach-
barn.“

„Steckt Ihr Euch denn auch manchmal Nägel
ins Gesäß?“ fragte der Brahmane.

„Niemals, ehrwürdiger Vater.“

„Das bedaure ich aber sehr,“ sagte der Fakir,
„denn Ihr werdet ganz gewiß nur in den neun-
zehnten Himmel kommen, und das ist sehr
schade.“

„Warum nicht gar,“ antwortete Omri, „das
ist doch äußerst ehrenvoll. Ich bin mit meinem
Schicksal vollständig zufrieden. Was liegt mir

denn daran, ob es der neunzehnte oder der
zwanzigste Himmel ist? W^enn ich auf meiner
Wanderung nur meine Pflicht erfülle und auf
einen anständigen Empfang in meinem letzten
Quartier rechnen kann. Genügt es denn nicht,
ein ehrlicher Mann in diesem Lande zu sein
und späterhin im Reiche Brahmas ein glück-
licher? In den wievielten Himmel gedenkt Ihr
denn zu kommen mit Euren Nägeln und Euren
Ketten, mein werter Herr Bababec?“

„In den fünfunddreißigsten!“ sagte Bababec.
„Das finde ich köstlich,“ entgegnete Omri,
„daß Ihr Euch vornehmt, höher zu wohnen
als ich. Das ist sicherlich nur die Folge eines
außergewöhnlichen Ehrgeizes. Ihr verurteilt
doch jene, die in dieser Welt nach Ehren suchen.
Warum begehrt Ihr denn so außerordentliche
für die andere ? Und was habt Ihr im übrigen
für einen Grund, besser behandelt zu werden
als ich ? Wisset, daß ich in zehn Tagen mehr
an Almosen gebe, als Euch in zehn Jahren alle
Eure Nägel kosten, die Ihr Euch in Euer Sitz-
fleisch bohrt. Was kann es denn Brahma
helfen, daß Ihr den lieben langen Tag mit einer
Kette um den Hals nackend zubringt? Ihr er-
weist wahrlich dadurch Eurem Vaterlande
einen unbezahlbaren Dienst. Ich für meinen
Teil halte viel mehr von einem Menschen,
der Gemüse baut oder Bäume pflanzt, als
von allen Euren Kollegen, die ihre Nasenspitze
betrachten und als Ausdruck ihrer schönen
Seele ein Wasserschaff spazieren tragen.“
Nachdem Omri so gesprochen hatte, be-
ruhigte er sich wieder, umschmeichelte den
Fakir, überredete ihn und brachte ihn endlich
 
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