Der Orchideengarten : phantastische Blätter (3.1921)

Da versicherte Aurelie, dal? es ihr eine Wohl-
tat sei, ihm, dem geliebten Gemahl, jetzt ihr
ganzes Herz zu erschließen. Nicht wenig er-
staunte der Graf, als er nun erfuhr, daß nur
das heillose Treiben der Mutter allen sinn-
verstörenden Gram über Aurelien gebracht.
„Gibt es“, rief Aurelie, „etwas Entsetzlicheres,
als die eigene Mutter hassen, verabscheuen zu
müssen?“ Also war der Vater, der Oheim
von keinem falschen Vorurteil befangen, und
die Baronesse hatte mit durchdachter Heu-
chelei den Grafen getäuscht. Für eine seiner

Ruhe günstige Schickung mußte es nun der
Graf halten, daß die böse Mutter an seinem
Hochzeitstage gestorben. Er hatte dessen kein
Hehl. Aurelie erklärte aber, daß gerade hei
dem Tode der Mutter sie sich von düsteren,
furchtbaren Ahnungen ergriffen gefühlt, daß
sie die entsetzliche Angst nicht verwinden
können, dieTote werde erstehen aus dem Grabe
und sie hinabreißen aus den Armen des Ge-
liebten in den Abgrund. Aurelie erinnerte sich,
so erzählte sie, ganz dunkel aus ihrer früheren
Jugendzeit, daß eines Morgens, da sie eben aus

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