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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Schultz, A. v.: Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0050
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Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir.
Gründen, die Heiraten geschlossen. Die Mädchen
treten oft mit 7, die Knaben mit 10 Jahren in
die Ehe. Geschlechtsreif werden die Mädchen
zwischen 10 und 15, die Knaben mit 15—17 Jahren.
Die Wohlhabenden besitzen meist mehrere Frauen,
doch geht deren Zahl selten über zwei oder drei
hinaus. Homosexualität, wie sie bei den sartischen
Männern so stark ausgeprägt ist, tritt hier in
den entlegenen Hochtälern ebenfalls auf. Über
die Hochzeitsgebräuche der Tadschik ist es
schwer, genaues zu erfahren. Den Brautwerber
spielt meist der Vater oder ein männlicher Ver-
wandter. Die Brautgeschenke, von denen das
meiste die Angehörigen der Braut, sie selber nur
wenig, erhalten, sind vorgeschrieben und bestehen
hauptsächlich in Stoffen. Die während aus-
gedehnter Festlichkeiten stattfindende, eigentliche
Hochzeitszeremonie, das Zusammenführen der
Brautleute, kann von jedem geachteten alten
Tadschik vollzogen werden, nur müssen mindestens
zwei Zeugen zugegen sein. Die Zeremonien
scheinen in den einzelnen Tälern recht verschieden
zu sein — hier näher darauf einzugehen, würde
zu weit führen.1 Die Geburten bieten ebenfalls
Grund zu Festlichkeiten. Die Frau gilt sechs
Wochen nach der Entbindung als unrein. Mit
4—5 Jahren wird bei den Knaben unter be-
stimmten Zeremonien und Festlichkeiten die
Beschneidung vollzogen. Mit 15 Jahren sind
sie volljährig, zum Zeichen dessen das vorher
nur teilweis geschorene Haar ganz abgeschnitten
wird.
Weitere Festtage knüpfen sich an das Neujahr.
Der Kalender der Tadschik ist eigenartig — die
Bezeichnung der Tage wird Körperteilen entlehnt.
Die Benennung der Jahre nach dem Tierkreis ist
oft unbekannt. Zu Festlichkeiten und eigenartigen
Gebräuchen gibt weiter der Beginn der Feld-
arbeit Anlaß.
Die Kleidung des Tadschik besteht aus einem
selbstgewebten, wollenen, langen Rock „(tschek-
men“, „tschapan“) der über einem weiten, weißen
oder dunklen, baumwollenen oder wollenen Hemd
und Beinkleid getragen wird. Die Beinkleider
werden in grobe, unförmige, bunte Strümpfe,
wobei oft mehrere Paare übereinander gezogen

1 Vergl. A. Bobrinski: „Die Bergvölker im Quellgebiet
des Pändsch“.

werden, gesteckt und darüber folgen weiche Stiefel
aus Ziegen- oder Steinbockleder, die mit wollenen
Schnüren über Blatt und Hacken festgebunden
werden. Bei armen Leuten fehlt natürlich die
Unterwäsche und der schmutzige, rauhe tschapan
wird auf dem auch nicht viel sauberen Körper
getragen. Auf das rasierte oder kurz geschorene
Haupt setzt der Tadschik eine kleine Kappe, um die
der Turban geschlungen wird, während die arme
Bevölkerung sich nur mit einem um die Stirn
gewundenen Lappen begnügt. Im Winter werden
über dem tschapan Pelze plumper Form getragen.
Eine ganz andere, oft von jüngeren Leuten
getragene Kleidung ist ein enganliegender, meist
mit blanken Knöpfen versehener Taillenrock, der
den schlanken, wohlgebauten Tadschik, besonders
wenn er zu Pferde sitzt, ungemein kleidet. —
Die Frauen gehen in langen, breiten, baum-
wollenen oder wollenen Hemden, unter denen
Unterhemde und an den Knöcheln zugeschnürte
Beinkleider getragen werden. An den Füßen
sieht man oft indisches Schuhwerk. Auf dem
Haupte wird ebenfalls eine kleine runde Kappe
getragen, über die die Frau, wenn sie ausgeht
oder wenn ein Fremder naht, ein Tuch, das sonst am
Rücken herabhängt, wirft, um das Gesicht zu
bedecken. In entlegeneren Tälern verschleiern
sich die Weiber aber nie. Die Kinder der minder
wohlhabenden Eingeborenen laufen den Sommer
über nackt oder in kurzen Hemden umher, und
sehen mit ihren runden roten Backen und leb-
haften Augen — der Schmutz darf den Beschauer
nicht irre machen — allerliebst aus.
Die Siedlungen der Tadschik knüpfen sich
an Terrassen und Schuttkegel der Flüsse. Das
Dorf („kischlak“, wachanisch „dior“) besteht meist
aus unregelmäßigen Häuser- und Hüttengruppen,
die auf Terrassen reihenförmig, auf den fächer-
förmigen Schuttkegeln haufenförmig angelegt sind.
Die Felder liegen entweder zwischen den Häusern
oder abseits auf niedrigeren Terrassen, seltener
hoch an den Lehnen der Berge und verlangen
immer künstliche Bewässerung. Auf weite Ent-
fernungen müssen oft komplizierte Kanäle
(wachanisch „wod“) angelegt werden. In den
einzelnen Höfen, auf den Dorfplätzen wachsen
Weiden, Pappeln, in tieferen Gebieten Wachans
beginnen auch Fruchtbäume — Aprikosen, Äpfel,
Birnen — zu gedeihen, die im Haushalt der Tad-

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