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21. Februar 66.

Mittwoch. Böcklin hatte viele Pflanzenproben im
Atelier und zeigte mir, wie grofs z. B. Oleanderblätter gegen
eine Hand- oder Nasenlänge sind. (Die unteren Blätter an
Bäumen und Sträuchern sind oft erstaunlich grofs.) Er hatte
auch viele Epheuproben zur Benutzung für sein Bild da. Solche
Blätter sehen aber im Zimmer ganz anders aus, weil die
Reflexbedingungen anders sind als draufsen; Böcklin hält
darum zuweilen eine Rose oder seine Hand dagegen, was ihm
dann wieder das richtige Verhältnis des Grün giebt.

Da er an allen Stellen des Bildes zugleich malt und bald
hier, bald dort weiter ausführt, so fördert er, wenn er nach
solchen Zweigproben in sein Bild malt, auch wieder seine
Figuren, indem es ihn nötigt, ihre Formen weiter durchzu-
modellieren; so der Epheu neben Daphnis.

Wenn Böcklin Grün (Blätter wie z. B. zu Daphnis' Füfsen)
neutralisieren und ihm die scharfe Farbe nehmen will, so setzt
er Morellensalz oder Caput mortuum in die Tiefen. Bei
Zusammenstellungen von Farben geht Böcklin nur seinem
Gefühl nach, setzt auch manchmal, um seinen Zweck zu er-
reichen, die strenge Naturwahrheit bei Seite und kehrt das
Warm und Kalt im Verhältnis des Schattens zum Licht um.
Ebenso frei behandelt er die Pflanzen. Er zeigte mir, was er
für Zeitverstöfse gemacht habe, indem er Frühlings- und
Herbstblumen zusammengestellt habe, etc.

3. März 66.

Böcklin hat Daphnis und Amaryllis, nachdem er fast
zwei Monate stumpf und kalt gemalt hatte, etwas lasiert; dann
aber wieder in das Fleisch kältere Lichter hineingespielt (durch
Weifs und grüne Erde, damit das weifse Ueberschummern
nicht violett wirke, wozu es auf dunkelm Grund fast immer
Neigung hatte). Das Bild wirkt nun wundervoll sanft.

Obwohl die Figur des Daphnis nur etwa dreiviertel
lebensgrofs ist (oder noch kleiner,) so wirkte sie dennoch
vollständig lebensgrofs, weil alle Verhältnisse im Bilde richtig
sind. Böcklin hielt ein Epheublatt gegen die gemalten, und
es war wirklich zu bewundern, wie genau dieser Drei-Viertel-
Mafsstab bei allen Teilen durchgeführt war. Die blaue Luft
mit weifsen Wolken hat er ganz leise mit Schwarz und Weifs
lasiert, wodurch das Blau mehr Blauviolett, der helle Schatten
der Wolke aber etwas weifs durchschimmerte. Böcklin meinte,
wenn Alles im Bilde falsch wäre, für dieses Verhältnis von
Luft und Wolke wolle er stehen, denn es sei auf demselben
Wege wie in der Natur hergestellt, lieber dem Kopfe des
Daphnis stehen einige Blätter scharf gegen weifsen Cirro-
stratus; damit dieser Kontrast nun seine ferne Stelle im Bilde
behält, hat er etwas entfernt davon ein weifses helles Wölk-
chen angebracht, gegen welches die Luft neben den Blättern
zweite Helligkeit ist.

Wir sprachen dann über die Maler des Cinquecento,
wie sie manchmal dem Bilde unten einen grauen Streifen zu-
gerügt haben, vielleicht, um im Bilde noch Raum zu schaffen
(z. B. Himmlische Liebe und Madonna mit d. j. Frau von
Tizian oder Violinspieler von Rafael u. a.).

So, meinte Böcklin, möchte er im Bilde den Daphnis
hoch haben, vielleicht durch Hinzufügung eines vergoldeten
Brettes, das gemeinsam mit dem Bilde vom Goldrahmen um-
schlossen wird.

21. März 66.

Böcklin malte heute an einem wundervollen Idealporträt:
Eine Römerin in weissem Kleide mit Veilchenbouquet, Gold-
reif und grünem Schleier, — und zwar auf einer Schiefer-
platte, deren Naturfarbe zum Hintergrund benutzt ist.

Anfangs hat er auf diesen dunkeln Grund alles mit Grau,
welches aus grüner Erde, Weifs und dem durchschimmernden
Grund sich zusammensetzte,
herausmodelliert. BeimWeiter-
malen ist er heller gegangen,
aber auch fast nur (oder aus-
schliefslich) mit grüner Erde
und Weifs. Damit das Fleisch
nicht zu grün wirke, hat er dem
Kopf dann einen starkgrünen
Schleier gegeben. Ein glänzen-
der Goldreif läfst den Kopf im
Ton erscheinen. Hellviolette
Edelsteine und Ohrbommeln,
der goldgelbe Mittelton des
Reifs, der Schleier und das
farbig violette Veilchenbouquet

verhindern, dafs die Karnation nach irgend einer Farbe inkli-
niert. Ein Rot zu diesem Zwecke anzubringen, wäre unnütz,
da das Fleisch bereits mit Grün gemalt ist.

(Um der Harmonie eines Bildes einen bestimmten eigen-
artigen Klang zu geben, scheint Böcklin es wohl für gut zu
halten, eine Farbe des Farbenkreises ganz fehlen zu lassen?!)

Die tiefen, starkviolettgrauen Schatten sind demnach nur
auf das Grau des Schiefers lasiert. Das weifse Kleid hat Böcklin
auch anfangs mit grüner Erde und Weifs gemalt, dann aber
mit reinem Weifs lasiert, das in diesem Falle die Eigentüm-
lichkeit hat, ganz violettweifs zu wirken.

Alle Stellen, wo der Mensch mehr transpiriert, sind far-
biger, bei brünetten gelber (z. B. Leib, Achselhöhlen und
Brustfläche über den Brüsten), während die Brüste weifs, oft
mit feinen Aederchen durchzogen sind; am weifsesten die
Arme. Der Torso, meint Böcklin, sei im ganzen nicht so hell,
wie die Arme, die dagegen fast stets was Marmornes haben.
Ebenso, wenn auch nicht so hell, die unteren Extremitäten.

Die kleinen Modellationen auf der Wange hat Böcklin
fortgelassen, als nicht wesentlich zur Erscheinung. Die kleinen
Formlichter wechseln bei jeder Wendung und stören die
Einfachheit, Gröfse und Schönheit der grofsen z. B. der Wange.
Das ziemlich starke Glanzlicht auf der Nasenspitze hat Böck-
lin aufgesetzt, weil die Nase der nächste Punkt ist. Die
Glanzlichter der Augen sind so stark, wie in der Natur.
Das breite, starke Licht des Goldreifs mildert ihre schneidige
Härte. — Für die Lippen hat Böcklin nur ein Eisenoxyd
(ich glaube Engl. Rot) gebraucht. — In die Wangen, meinte
er, müsse man nie positives Rot nehmen, besonders nicht
Krapp, da das stets als dunkle Farbe wirke. Alles, was man
später an rotgemalten Wangen noch ändern will, wird Schmutz.

Beim Beginn eines Bildes scheint Böcklin immer eine
fast entgegengesetzte Farbe, wie der Grund, zu nehmen. So
hat er hier zum kalt schwarzvioletten Grund warme grau-
grüne (ungebrannte grüne Erde) genommen, — bei einem
kleinen angefangenen Porträt seiner Frau hatte er erst den
Grund mit durchsichtigem Gelb (Ocker) überzogen und die
Untermalung scheinbar mit Violett gemalt.

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