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Dein dummer Bruder mit gestrecktem Fufs
in Wut mit aller Kraft nach diesem Hund,
nur weil er nicht mit einem harten Dolch
nach mir und meinem Liebsten stofsen konnte.
Ich aber sah ihn an und lachte laut
und streichelte den Hund und mufste lachen.

(sie lacht ein übermäfsig helles Lachen, das jeden Augenblick
in Weinen oder Schreien übergehen könnte.)

Braccio : (scheint zu horchen.)

Dianora:

(horcht auch, ihr Gesicht hat den Ausdruck der entsetzlichsten

Spannung. Bald kann sie es aber nicht ertragen und fängt

wieder zu reden an, in einem fast deliranten Ton)

Wer mich nur gehen sah, der mufst' es wissen!

Ging ich nicht anders? safs ich nicht zu Pferd

wie eine Selige? ich konnte Dich

und Deinen Bruder und dies schwere Haus

ansehn und mir war leicht, als schwebte ich . . .

die vielen Bäume kamen mir entgegen,

mit Sonne drin entgegen mir getanzt. . . .

Die Wege alle offen in der Luft

die schattenlosen Wege, überall

ein Weg zu ihm . . . Erschrecken war so süfs!

aus jedem dunklen Vorhang konnte er,

aus dem Gebüsch, Gebüsch .. .

(die Sprache verwirrt sich ihr vor Grauen, weil sie sieht, dafs
Braccio den Vorhang hinter sich völlig zuzieht. Ihre Augen
sind übermäfsig offen, ihre Lippen bewegen sich unaufhörlich)

Messer Braccio:

(in einem Ton, den der Schauspieler finden mufs: weder laut,
noch leise, weder stark, noch schwach, aber undurchdringlich)

Kam ich, Dein Mann, nun nicht zu dieser Zeit
in Dein Gemach, um eine Salbe mir
für meine wunde Hand zu holen — was,
mit Vorsatz, hättest Du sodann gethan?

Dianora:

(sieht ihn wirr an, begreift die neuerliche Frage nicht, greift

sich mit der rechten Hand an die Stirne, hält ihm mit der

linken die Strickleiter hin, schüttelt sie vor seinen Augen, läfst

sie ihm vor die Füfse fallen [ein Ende bleibt angebunden]

schreiend)

Gethan? gewartet! so! gewartet, so!

(sie schwingt wie eine Trunkene ihre offenen Arme vor seinem
Gesicht, wirft sich dann herum, mit dem Oberleib über die
Brüstung, streckt die Arme gegen den Boden; ihr Haar fällt

vornüber)

Messer Braccio:

(hat mit einer hastigen Bewegung ein Stück seines Unterärmels
abgerissen und um die rechte Hand gewunden. Mit der Sicher-
heit eines wilden Tieres auf der Jagd fafst er die Leiter, die
daliegt wie ein dünner dunkler Strick, mit beiden Händen,
macht eine Schlinge, wirft sie seiner Frau über den Kopf und
zieht den Leib gegen sich nach oben.)

Indessen ist der Vorhang schnell gefallen.

LUDWIG VON HOFMANN
 
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