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Siatei

Die Bodenfläche vor dem Tempel
stellt einen grünen Rasenplatz dar, auf
dem zwei graugelbe Kiespfade sich
kreuzen. Der eine Pfad führt von
dem Tempeleingang a, in nur wenig
geknickter Linie, nach der rechten
Ecke des Vordergrundes. Rechts
und links von ihm, unweit der
Tempelfront, erhebt sich aus
den Rasenstücken je eine hohe
Cypresse (b b). In der Mitte des
Pfades, an seinem Knickpunkt c,
steht ein sehr, alter, nicht sehr
hoher, spärlich belaubter Apfel-
baum mit seltsam gewundenem
Astwerk und wenigen gold-
gelben Früchten; vorn am Fufs des nicht sehr starken, etwas
gekrümmten Stammes ruht auf einem kubischen, etwa knie-
hohen Sockel aus schwarzem, gelbgeädertem, poliertem Mar-
mor eine grofse, ebenso gefärbte, unten und oben etwas
abgeplattete Kugel. Das dunkle Laub des Apfelbaumes und
der Pappeln sticht gleich dem Nadelwerk der beiden Cypressen
deutlich von dem Saftgrün der Rasenstücke ab.

Der andre Kiespfad führt von der linken Ecke des Vorder-
grundes gradlinig zu der schwarzen Marmorkugel, knickt
dort nach hinten hin ab, und endet unweit der rechten Ecke
des Hintergrundes. Dieser ist der Länge nach begrenzt von
einer knapp kniehohen, graugelben Marmormauer, deren
Fläche durch ebensolche schwarze, gelbgeäderte Kugelposta-
mente, wie das an dem Apfelbaum, unterbrochen ist; nur
sind jene um ein Drittel schmaler und etwas niedriger als
dieses. Wo der Kiespfad in den Hintergrund mündet, ist die
Grenzmauer offen. Das rechte Postament dieses Ausgangs ist
verdeckt durch den breiten, schwarzweifsen Doppelstamm
einer hohen Hängebirke (d). Die beiden eng beisammen-
stehenden Hölzer gehn erst in etwa Mannshöhe deutlich aus-
einander; ihre Zweige hängen mehr nach links als nach rechts
über. Zwischen der Doppelbirke und der rechten Ecke des
Hintergrundes steht dicht vor der Grenzmauer noch eine
Birke, aber mit schlankerem, einfachem Stamm und die
Zweige nicht überhängend. Mehr nach vorn, auf dem Rasen,
kauern drei niedrige Myrtengebüsche (e e f) — nicht höher
als die Grenzmauer, sodafs dahinter zwischen den beiden
Birken der fahlblaue Himmel und das dunkelblaue Meer zu
sehen bleiben; aus dem Myrtenbusch f ragt ein knapp
mannshohes, sparsam blühendes, dunkelblättriges Theerosen-
bäumchen auf. Längs der rechten Bühnenseite stehen Lorbeer-
büsche und hohe Pinien, deren Stämme im Abendlicht rötlich
glühen. Links von der Hängebirke, dicht vor der Grenz-
mauer, dem Tempel zu, stehn noch drei alte Silberpappeln,
zwischen deren schwarzgrauen Stämmen gleichfalls Himmel
und Meer zu sehen sind. Nach rechts hin geht das Blau des
Himmels an der Meereslinie in die bleiche Farbe der Thee-
rosen über. Die Abendsonne, kupferrot glühend, scheint
durch das saftgrüne Laub der kleineren Birke und sinkt
allmählich schräg nach rechts in die Ecke, bis sie dort hinter
dem dunklen Lorbeergebüsch verschwindet, einen purpurnen
Streifen über das tiefblaue Meer legend.

Zuschauer.

[rect]ts)

Gleich nachdem der Rauchwolken-
vorhang gewichen und das Chorlied
verstummt ist, erscheint auf dem
Kiespfad vorn links Lucifer mit
dem Festzug der Jünglinge
und Mädchen, seine zwei
brennenden Fackeln der Sonne
entgegenhaltend, Alle in unver-
änderter Kleidung. Der Zug
schreitet wieder mit dachförmig
gehobenen Thyrsusstäben, paar-
weis, dem Geschlecht nach ab-
wechselnd, hinter Lucifer her.
Dieser nähert sich feierlich der
Marmorkugel unter dem Apfel-
baum, beugt halb das Knie,
umarmt die Kugel und berührt sie mit der Stirn; der Zug
verneigt sich, die Thyrsusspitzen zu Boden senkend. Dann
tänzelt Lucifer mit vorgestreckten Fackeln der Hängebirke
d zu, während der Zug, die Thyrsusstäbe schulternd, sich
folgendermafsen teilt: das erste, dritte, fünfte u. s. w. Paar
schwenkt langsam dem Saturntempel zu, das zweite, vierte,
sechste u. s. w. biegt nach der rechten Ecke des Vordergrundes
ab. Sobald die beiden letzten Paare das gethan haben, macht
die rechte Hälfte des Zuges Kehrt, während Lucifer sich unter
der Hängebirke mit hoch erhobenen Fackeln zweimal um sich
selbst dreht, und Paar auf Paar begiebt sich nun — die
Thyrsusstäbe wieder dachförmig haltend und mit den freien
Armen sich umschulternd ■— gebeugten Hauptes in den
Tempel hinein. Gleichzeitig tänzelt Lucifer zurück nach der
Marmorkugel, steigt hinauf auf sie und hält die Fackeln mit
steif vorgestreckten Armen dem Relief des Giebels zu.

Sobald das letzte Paar die Tempelschwelle überschritten
hat, springt Lucifer herab von der Kugel und tanzt mit feier-
lich grotesken, gleichsam wegwerfenden Schritten hinterdrein.
Gleich nachdem er in dem Tempelthor verschwunden ist, er-
scheint das erste Paar des Zuges wieder auf der Schwelle, der
Zug zieht hüpfend und die Thyrsusstäbe schwingend bis zur
Marmorkugel, teilt sich dort in gleicher Weise wie zuvor,
und die eine Zughälfte wandelt der Hängebirke zu, die andre
wieder nach der rechten Ecke des Vordergrundes hin; jedes
Paar berührt dabei die Kugel mit den Thyrsusspitzen und ver-
neigt sich übermütig. Sobald die letzten Paare an der Kugel
vorbei sind, machen die Züge ruckhaft Halt, und während
Lucifer gleichzeitig wieder auf der Tempelschwelle erscheint,
die Fackeln mit verschränkten Armen neben seinen Achseln
aufrecht haltend und steif stehenbleibend, wenden sich die
Festzugpaare mit wagerecht vorgestreckten Thyrsusstäben dem
Pinienhain der rechten Bühnenseite zu, worauf sie zweimal
mit den Stäben winken.

Nun kommt, indefs sich Lucifer grotesk der schwarzen
Kugel nähert und wieder auf sie hinaufspringt, ein Schwärm
Bachanten und Bachantinnen mit Tamburin-Gerassel aus
dem Pinienhain gestürmt, in gleicher Anzahl wie die Fest-
zugpaare. Diese weichen, bunte Reihe machend, nach links
hin von den Kiespfaden auf die Rasenstücke, und es bilden
sich um Lucifer, der auf der Kugel die Fackeln armleuchter-
artig starr von sich hält, vier Tanzkreise (Ringelreigen) inner-
halb der beiden Cypressen b b, des Myrtenbusches f und der
Vordergrundlinie: die zwei innersten Kreise — von den

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