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Das Petrarka-Bild ist in seiner zweiten Form viel vol-
lendeter als damals in Rom. Es ist schauriger, feuchter und
herbstlicher, die Bäume welker und vom Wind zerzauster,
lieber die "Wiese sieht man fort nach einsamen Häus'chen.

Die Pflanzenformen im Vorgrund sind etwas gröfser,
ausgedehnter, und das Bild dadurch einfacher und knapper
gegeben.

Einige blaue Blumen (etwas farbig) im linken unteren
Teil des Bildes wirken in der Gesamtstimmung des Bildes
wie Licht. So schlagend hat Böcklin den Dämmerungseffekt
getroffen.

Anfangs war die Wiese hinten durch ein paar Büsche
begrenzt und auf derselben wandelten Arm in Arm zwei
Frauen. Böcklin meinte, so gebe es mehr den Gedanken der
Einsamkeit. Es sei ihm aber kurios vorgekommen, dafs man
gerade durch die Oeffnung der Bäume die beiden Gestalten
gesehen habe und das habe für ihn etwas Gezwungenes gehabt.

Der Durchblick in die Ferne hat nun etwa diese Gestalt
bekommen (vgl. unten): (a) weifses Wolkenlicht, (b) grauer
Wolkenton, kleine Durchblicke blauen Himmels, die das
Goldfarbige im grünen Moos (z) und in den bräunlich und
gelb-bräunlich herbstlichen Bäumen darüber heben. Die
Bäume links sind dunkel-grau-grüne Lorbeerstämme mit
dunklem Laub. Häuser und der Erdabsturz daneben in dunkel
schattiggrauduftigen Tönen. Terrain (y) war graues Gras, vorn
mit unterscheidbaren Pflanzen, gegen die vordere Kante zu:
nackte Felsfläche. An ihrem senkrechten Abfall Gras (m)
mit kaltgelben Blumen, weiter unten einige blaue; halbwegs
zwischen diesen und Petrarka jedoch feucht violette.

Alle Tiefen in der Landschaft sind durch Krapptöne
etwas ins Violette gestimmt.

Das Bild ist mit merkwürdiger Leichtigkeit gemalt,
nirgends gequält, immer flott und nicht durch Herumprobieren
herausgequält, sondern frisch aus der scharfen, lebendigen
Vorstellung der Dinge herausgeschaffen. Einzelne Sachen an
wirksamen Stellen sind dann mit gröfster Wahrheit und
genau gegeben, wie der kleine nach hinten verkürzte Ast und
andere Aeste, die vor dem hellen Luftton stehen.

Von grofser Meisterschaft ist die Anordnung der Flächen
und Richtungen: Wie die Lorbeerstämme schräg in das Bild
hineinliegen und dementgegen der Felsblock dahinter wieder
nach vorn kippt (die Bäume darauf aber wieder nach hinten

strebend). Rechts dazu der Brombeerstrauch, nach links unten
hineinstrebend, unten in der rechten Ecke wieder in anders
verkürzter Schräge das Lattichblatt. Zur verkürzten linken
hineingehenden Seite des Felsblocks die schräg hintergehende
Fläche der Wiese etc. Alles Motive, die nicht wenig dazu
beitragen, das dargestellte Sujet räumlich hineinzugestalten.

In den einzelnen Motiven entdeckt man dann beim nähern
Zuschauen immer neuen Reiz: In der rechten unteren Ecke
die weifse Winde mit ihren Blattschichten über das herunter-
geknickte Lattichblatt rankend, (dabei frei, leicht und schattig
untergeordnet behandelt); die schwankenden dürren Schilf-
halme über den blaugrünen Wasserstreifen am Felsen; die
verdorrte violettgraue Waldrebe mit flockigen grauen Blüten,
die hinten am Felsblock hängt; dann der Steinboden unter-
halb der Lorbeerstämme, wo das Wasser ehemals bei höherem
Wasserstande runde, abgeschliffene Felsstücke und kreuz und
quer liegende Aststückchen abgelagert hat, die ein einförmig
trocken grauer Schlammton überzogen hat; das rieselnde
Wasser, in dem man klar den Grund sieht, und auf dem
Wasser ein schwimmendes herbstliches Blatt, halb mit Wasser
gefüllt; und so Tausende von liebenswürdigen Einzelbeob-
achtungen der Natur, die einen bei aller Einheit des Bildes
und ihrer Unterordnung wiederan die unendliche Mannigfal-
tigkeit der Natur erinnern und doch schliefslich immer wieder
zur Hauptidee des Bildes zurückführen und diese aussprechen
helfen.

Die Lichtskala vom hellen Luftlicht bis zu den tiefsten
Schatten in der Landschaft und in Haar und Sandalen der
Figur des Dichtes ist so grofs, als die Palette nur zuliefs und
auch die Farbenkraft ist auf das Aeufserste gebracht, so dafs
schliefslich über den herbstlichen Büschen, über der grauver-
trockneten Waldrebe etc. durchsichtige Lacktöne liegen, die
der Behandlung einen ganz mysteriösen Zauber geben, so dafs
man wie in der Natur, durch die Dämmerung in dunkler
Kraft die Farben erkennt. Licht, Luft und teilweise auch
die Ferne leuchten, da sie trocken dick gemalt sind.

Das Gewand des Dichters ist ein kräftiges Graurot. In
der Kopfbedeckung mit ihrem über Brust und Schulter hängen-
den shawlartigen Ende ist aber mit reinem Rot, das noch
mit Lacken lasiert ist, die höchste Farbenkraft aufgeboten,
die gegenüber dem scharfen, hellen Luftlicht desto wirksamer
im Bilde steht.
 
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