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„Ha, ha!" sagte er. „Jetzt gilts! Aber offen
und ehrlich, Kraft gegen Kraft. Ein Schuft, der sich
sein Mädchen nehmen läfst. Nun wer gewinnt!"

Rasch hatte er die Anna hinter sich auf einen
sicheren Platz gesetzt.

Nun stand er zum Kampfe bereit.

„Hier stehe ich — allons!" sagte er.

Ein Italiener war schon gepackt worden. Der
habe das Messer geworfen. Der Polizeidiener war
dazwischen gesprungen — er war machtlos. Von
allen Seiten sausten die Hiebe. Stöcke, Gläser,
Fäuste. Alles ging schon drunter und drüber.

„Ehrlich!" rief der Jean, „Kraft gegen Kraft, nicht
das Messer! Ein feiger Schuft, wer sticht!"

Vor ihm rangen sie, in einem solchen Durch-
einander, dafs Freund oder Feind schwer zu unter-
scheiden war. Nun sprang der Jean hinein. Wer
von ihm gepackt wurde, fiel, den Freund befreite er,
half ihm, den Verletzten rifs er heraus. Keine Waffe
hatte er, seine Faust, sein starker Arm genügten ihm.

Der verschmähte Liebhaber kämpfte wütend.
Er suchte an den Jean heranzukommen.

Und auch dem Jean wars recht.

Jetzt hatte er freie Bahn.

„Ach Gott!" schrie die Anna.

Sie wufste, jetzt gings auf Leben und Tod.

Der Italiener fiel den Jean an. Der war aber
gefafst. Kragen, Rock, Weste, Hemd wurden ihm
nur aufgerissen.

Nun kämpfte er mit freier Brust.

Er packte den Gegner an den Armen. Wie
Eisenringe legte er seine Finger um des Feindes
Muskeln. Er drückte ihm die Arme in die Seiten.
Der Italiener keuchte.

Anfangs leistete er Widerstand. Auf einmal
ward er geringer. Aber der Jean war vorsichtig.
Die Kraft des Gegners konnte ja noch nicht er-
schöpft sein.

Plötzlich schnellte er denn auch auf, den Jean,
den er siegesgewifs wähnte, zu werfen.

Aber der hatte ihn schon an der Kehle gepackt
und zusammengerissen, dafs er sich überschlug.

„Hurrah!" schrie's. „Der Jean hot gewunne!"

Der Italiener bäumte sich auf. Der Jean hielt
ihm die Arme bei. Auch jetzt fürchtete er eine List.

Der Italiener warf sich auf die Seite. Er suchte
nach seiner Messertasche.

„Freundchen, Messer nicht!" sagte der Jean.

„Steh doch einer dem Herrn „Ober" bei!" riefs.

„Wenn der Kerl sein Messer erwischt!"

„Nicht helfen, keiner helfen — Kraft gegen
Kraft! So will ich gewinnen!" rief der Jean halb
aufser Atem dagegen. Und mit aller Kraft suchte er
dem Gegner den Kopf auf den Boden zu zwingen.

„Er hot gesiegt — gewunne! hoch der Herr
„Ober"!" riefs schon.

Da gellte ein Schrei. Er gellte furchtbar durch
Mark und Bein. Ein Menschenschrei — und doch,
kaum zu glauben, dafs er aus einer Menschenkehle
kommen könnte.

„Ah — hui—u—u—io!"

Das schnitt, das rifs, das pfiff, das röchelte.
Das ging durch eine ganze Tonleiter, durch alle
Vokale. Entsetzen machte alle starr.

Der Streit war aus.

Der Jean war rücklings hingeschlagen.

„Schu—u—uffft!" — stöhnte er.

Einer der Italiener hatte ihm hinterrücks das
Messer ins Herz gestofsen. Er stöhnte noch einmal
— noch einmal warf er sich auf. Er schnellte hoch.

Schwer und dumpf fiel er nieder.

Dann lag er still, die Arme weit auseinander,
Blut vorm Munde.

Die Italiener waren fort. In der Bestürzung
hatte sich keiner nach ihnen umgesehen, selbst der
Polizeidiener nicht. Unbemerkt hatten sie sich
davon gemacht.

Welcher hatte gestochen? Der Fiori nicht.

Man stand um den Toten.

Einer bückte sich nieder und legte dem Jean
das Ohr auf die freie Brust. „Er ist tot!" sagte er.

Die Anna safs auf ihrem Platz und weinte.

Sie konnte nichts denken, nichts begreifen.

Der Jean war tot.

Da lag er — nie wieder würde er aufstehen.
Tot, tot!

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