FR. WASMANN, PORTRATZEICHNUNG
FRIEDRICH WASMANN
EINES Tages fand Bernt Grönvold in einem kleinen Antiqui-
täten-Laden eineReihe von Zeichnungen, diedort jahrelang
vergeblich zum Verkauf ausgelegen hatten, und in denen er
schon nach den ersten Blicken eine aufsergewöhnliche Feinheit
der Auffassung und sichere zeichnerische Schulung erkannte.
Der Händler gab die Auskunft, dafs die Arbeiten von einem
alten Hamburger Maler in Meran herrührten, der aber
schon vor Jahren gestorben sei. Die weiteren eingehenden
Nachforschungen ergaben ausser Zeichnungen und Bildern
biographische Aufzeichnungen, die so interessant waren, dafs
Grönvold es nicht übers Herz brachte, diese und mit ihnen
den Künstler für immer der Vergessenheit anheim fallen
zu lassen, sondern sich zur Herausgabe derselben ent-
schlofs. Wir müssen dem Norweger Grönvold für diesen
jetzt vorliegenden stattlichen Band, dem eine grofse Anzahl
von Zeichnungen in Lichtdrucken und einigen Reproduk-
tionen nach Gemälden beigegeben sind1, dankbar sein für
diesen mit grossen Opfern an Zeit und Geld unternommenen
Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte, der uns einen Mann
der Vergessenheit entrifs, der in seinen Werken eine so seltene
Echtheit und Feinsinnigkeit bewies, dafs es ganz unverständ-
1 Friedrich Wasmann, ein deutsches Künstlerleben, von ihm
selbst geschildert. Herausgegeben von Bernt Grönvold. München,
Verlags-Anstalt Bruckmann. 500 numerierte Exemplare.
lieh ist, wie sich sein Andenken nicht auch ohne jene rettende
That, weder in seinem zweiten Vaterlande Tyrol noch in seiner
Geburtsstadt Hamburg erhalten hat, so dafs die dortige Kunst-
halle nicht einmal im Besitze auch nur eines Bildes von ihm ist.
Und das will viel heifsen: denn es giebt so leicht wieder
keinen Staat oder keine Stadt in Deutschland, die mit solcher
Intensivität und solchem Stolze das Bild ihrer vergangenen Tage
zusammenzustellen sucht wie Hamburg — eine Vorstellung,
die sich schon allein mit dem Namen Lichtwark eng verknüpft.
An dem Buche interessieren nun zwei Seiten. Einmal
bei den Bilderbeilagen die zeichnerischen und malerischen
Qualitäten des Künstlers, die ganz aufserordentliche sind.
Vielleicht ist nur der Maler im Stande, diese in ihrer ganzen
einfachen Gröfse so recht zu geniefsen. Zum zweiten der
litterarische Teil, der sicher zum weitaus gröfsten Teile
dem Buche den Erfolg bringen wird. Denn an dem Faden
dieses verhältnismäfsig einfachen und stillen Lebens rollt
sich die gesamte deutsche Kunstgeschichte der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts mit Ausblicken in die der andern
führenden Nationen ab. Und zwar geschildert mit ebenso
viel Anspruchslosigkeit als scharfer Beobachtung, mit einer
so klaren Gelassenheit des Stiles und einem Humor, dafs man
mehr als einmal an den grünen Heinrich denken mufs, ein
Vergleich, der durch die Identität oder doch die Aehnlichkeit
G 253 3
FRIEDRICH WASMANN
EINES Tages fand Bernt Grönvold in einem kleinen Antiqui-
täten-Laden eineReihe von Zeichnungen, diedort jahrelang
vergeblich zum Verkauf ausgelegen hatten, und in denen er
schon nach den ersten Blicken eine aufsergewöhnliche Feinheit
der Auffassung und sichere zeichnerische Schulung erkannte.
Der Händler gab die Auskunft, dafs die Arbeiten von einem
alten Hamburger Maler in Meran herrührten, der aber
schon vor Jahren gestorben sei. Die weiteren eingehenden
Nachforschungen ergaben ausser Zeichnungen und Bildern
biographische Aufzeichnungen, die so interessant waren, dafs
Grönvold es nicht übers Herz brachte, diese und mit ihnen
den Künstler für immer der Vergessenheit anheim fallen
zu lassen, sondern sich zur Herausgabe derselben ent-
schlofs. Wir müssen dem Norweger Grönvold für diesen
jetzt vorliegenden stattlichen Band, dem eine grofse Anzahl
von Zeichnungen in Lichtdrucken und einigen Reproduk-
tionen nach Gemälden beigegeben sind1, dankbar sein für
diesen mit grossen Opfern an Zeit und Geld unternommenen
Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte, der uns einen Mann
der Vergessenheit entrifs, der in seinen Werken eine so seltene
Echtheit und Feinsinnigkeit bewies, dafs es ganz unverständ-
1 Friedrich Wasmann, ein deutsches Künstlerleben, von ihm
selbst geschildert. Herausgegeben von Bernt Grönvold. München,
Verlags-Anstalt Bruckmann. 500 numerierte Exemplare.
lieh ist, wie sich sein Andenken nicht auch ohne jene rettende
That, weder in seinem zweiten Vaterlande Tyrol noch in seiner
Geburtsstadt Hamburg erhalten hat, so dafs die dortige Kunst-
halle nicht einmal im Besitze auch nur eines Bildes von ihm ist.
Und das will viel heifsen: denn es giebt so leicht wieder
keinen Staat oder keine Stadt in Deutschland, die mit solcher
Intensivität und solchem Stolze das Bild ihrer vergangenen Tage
zusammenzustellen sucht wie Hamburg — eine Vorstellung,
die sich schon allein mit dem Namen Lichtwark eng verknüpft.
An dem Buche interessieren nun zwei Seiten. Einmal
bei den Bilderbeilagen die zeichnerischen und malerischen
Qualitäten des Künstlers, die ganz aufserordentliche sind.
Vielleicht ist nur der Maler im Stande, diese in ihrer ganzen
einfachen Gröfse so recht zu geniefsen. Zum zweiten der
litterarische Teil, der sicher zum weitaus gröfsten Teile
dem Buche den Erfolg bringen wird. Denn an dem Faden
dieses verhältnismäfsig einfachen und stillen Lebens rollt
sich die gesamte deutsche Kunstgeschichte der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts mit Ausblicken in die der andern
führenden Nationen ab. Und zwar geschildert mit ebenso
viel Anspruchslosigkeit als scharfer Beobachtung, mit einer
so klaren Gelassenheit des Stiles und einem Humor, dafs man
mehr als einmal an den grünen Heinrich denken mufs, ein
Vergleich, der durch die Identität oder doch die Aehnlichkeit
G 253 3