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Panofsky, Erwin
Die Sixtinische Decke — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 8: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.61283#0008
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das Cinquecento mehr auf das Tektonische legt) und
ein malerisch-illusionistisches; dort begnügt sich
der Künstler damit, die latenten und zerstreuten
Massenkräfte in einem Netz von Leisten oder Girlanden
aufzufangen und zwischen ihnen gleichsam kraftneu-
trale Flächen zu schaffen — hier unternimmt er es,
den Raum nach oben zu erweitern oder gar die Decke
gänzlich zu durchbrechen.
Als Michelangelo im Frühjahr 1508 an sein Unter-
nehmen heranging, standen ihm die Malereien Pintu-
ricchios und Melozzos als Musterbeispiele dieser beiden
Methoden vor Augen; allein für ihn als ausgesprochen
plastisch empfindenden Künstler stand die Entschei-
dung von Anfang an fest: in deutlicher Anlehnung an
Pinturicchios Arbeiten im Appartamento Borgia und
im Chor von S. M. del Popolo sollte der eigentliche
Deckenspiegel, „so wie es damals üblich war“, mit
Rahmenwerk und Ornament gefüllt werden, nur in den
spitz heruntergreifenden Zwickeln sollten — als Nischen-
figuren — die zwölf Apostel Platz finden. Jedoch schon
innerhalb des frühesten Entwurfs hat sich die tra-
ditionelle Auffassung mit einer neuen Tendenz ausein-
anderzusetzen, die später immer beherrschender her-
vortritt: mit der Tendenz, die ganze Deckenfläche zu
einer Einheit zusammenzufassen. Zwar ist der Mittel-
teil noch wesentlich für sich behandelt und sogar
mit übereckstehenden Quadraten und längsorientierten
Rechtecken ausgeschmückt, doch schon versucht die
Vertikalgliederung der Zwickel auf ihn überzugreifen:
die Nischen mit ihren Flankenpilastern wachsen durch
das trennende Gesims hindurch, und geflügelte „Termini“
— als halblebendige Wesen besonders gut zur Vermitte-
lung zwischen den Apostelfiguren und der geometrischen
Formenwelt des Deckenspiegels geeignet — versuchen
den Zusammenhang zu festigen. Bereits der zweite
Entwurf schafft unter Preisgabe des bisherigen Orna-

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