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Panofsky, Erwin; Michelangelo; Michelangelo [Editor]
Handzeichnungen Michelangelos — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 34: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.50964#0032
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vier Sarkophagen, dann an zwei paarige Doppelgräbergedacht hatte, ward später der
Entschluß gefaßt, den beiden Magnifici (Lorenzo und Giuliano de’Medici) ein
Doppelgrab, den beiden Duchi (Lorenzo, Herzog von Urbino und Giuliano, Herzog
von Nemours) je ein Einzelgrab zu widmen; nur diese Einzelgräber, deren eines in
unserer Zeichnung skizziert ist, gelangten schließlich zur Ausführung. Die Bedeutung
der Sitzfigur in der linken Nische ist nicht sichergestellt (den Inhaber des Grabmals
kann sie jedenfalls nicht darstellen) — die liegenden Gestalten der untersten Zone
sind Flußgötter, die später in Fortfall kamen.
9—II. Der Sturz des Phaeton. Schwarzkreidezeichnungen für Tommaso
Cavalieri.
9. London, Brit.Mus., 31,3X21,7; Th. 363, Fr. 57, Ber. 1535. Entstanden
in der Zeit von Herbst 1532 bis Frühjahr 1533.
10. Venedig, Akademie, 39,4X25,5; Th. 518,Fr. 75,Ber. 1601, stellenweise
von späterer Hand überzeichnet. Entstanden unmittelbar nach dem vorigen Blatt, das
mit dem Erbieten, es am nächsten Tage umzuarbeiten, an Cavalieri gesandt wurde.
ir. Windsor, Royal Library, 41,6X23,8; Th. 542, Fr. 58, Ber. 1617. Die
endgültige Fassung.
Die Komposition hat eine höchst merkwürdige Entwicklung durch gern acht,
deren drei Phasen mit den Worten: Freiheit, Gebundenheit, gebundene
Freiheit bezeichnet werden können. Auf dem ersten Blatt ist die Figur des
blitzeschleudernden Jupiter aus der Mittelachse herausgerückt, Pferde und Wagen
bilden einen wirren, stark nach der rechten Seite zu verschobenen Knäuel, ans
dem sich links die Gestalt des köpflings niederstürzenden Phaeton herauslöst, und
dessen Silhouette überall durch ausfahrende Bewegungen zerrissen wird. Auf dem
zweiten Blatt herrscht strenge Symmetrie: Jupiter in der Mittelachse des Blattes,
die Pferde in zwei eng verschränkte Gruppen aufgeteilt, von denen die Gestalt des
genau senkrecht herabstürzenden Phaeton symmetrisch gerahmt wird; selbst die
beiden Heliaden rechts und links sind in fast entsprechender Weise bewegt. In der
dritten Fassung endlich die Verschmelzung (aber nicht Versöhnung) zwischen
Freiheit und Gebundenheit: deutlich ist eine durchgehende Mittelachse festgehalten
(Jupiter, das senkrecht stürzende Pferd, die mittlere Heliade), und die Phaeton-
gruppe ist in die Blattmitte gerückt; allein die Massen sind so verteilt, daß die eine
(linke) Seite präponderiert; die Gesamtposition unterliegt also demjenigen Prinzip,
das zu dieser Zeit auch für die isolierte Einzelgestalt verbindlich ist (Madonna Medici,
die Herzogsstatuen, David — Apollo); die Mittelgruppe ist zu einer einzigen Masse
zusammengefaßt, deren Silhouette sogar noch viel geschlossener ist als auf dem
zweiten Blatt, allein für den Phaeton wird wieder das Motiv des seitlichen Sturzes
aufgenommen usw7.
Damit stimmt überein, daß die antike Überlieferung in der ersten Fassung
sehr stark, in der zweiten fast gar nicht, in der dritten unter entschiedenster Abwand-
lung nachwirkt. Auf dem ersten Blatt entspricht die Gruppe des Jupiter auf seinem
Adler sowie die Gestalt des ruhenden Eridanus (vgl. dagegen den gänzlich unantiken
Flußgott der zweiten Fassung!) ziemlich genau antiken plastischen Vorbildern, die
Mittelgruppe schließt sich dem bekannten Phaötonsarkophag der Uffizien an, und die

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