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Panofsky, Erwin <Prof. Dr.>
Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst — Leipzig, Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.29796#0118
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92

Hercules Prodicius

noch die Hälfte des folgenden Blattes und endet mit einem ebenfalls
einem „Memento mori" gleichkommenden Rätsel, dessen Auflösung „Das
Jahr" ist.1) Darauf folgt der „Beschluß des Buchs", bestehend aus einem
satirischen Zeitgedicht2), einer Anzahl sprichwortartiger Reimverse mora-
lisierenden Inhalts (darunter das bekannte: „Ich leb vnnd waisz nit wie
lang, ich stirb vnnd waisz nit wan, ich var vnnd waisz nit wohin, mich
wundert das ich frolich bin“), sowie zwei weitere Bibelsprüche; und erst
am Ende dieses Teiles steht die Schlußschrift: „Hie endet sich die Histori
des traums Herculis <alsz im getraumet) der sigbehaltenden Tugent wider
das verfluchte Laster <ausz latein in teutsch gebracht) / welcher durch sein
(mit andern beheiligten) leben / vns von dem obristen Jupiter den thaw güt-
licher genaden erwerben wolle . . . das geruch uns zu uerleihen der Heilig
aller Heilige dem sey lob vn höchste ererpittung in ewigkeith ame. 1515."3)

13 Ich 1er all kirchen / hoff / vnd sal /

14 Vor meinen fussen bracht zuual /

15 Vnd treib ein gmeynlich / anffrecht spil /

16 Ein yeglich feld mag sein mein ziel

17 Ich achten auch der hut nicht uil /

18 On furbus matt ich wen ich wil.“

35 Dis nagt ein waissz vnd schwartzer ratz

36 Baum / nast / ey / vogel frist die katz

37 O gott wie sorglich ist dies wesen /

38 Wer mag vor dieser katzen genesen."
Die Lösung findet sich nach Zarncke, S. 154 in der 1539 zu Freiburg erschienenen deut-
schen Ausgabe der lateinischen Erzählungen, die Brant seiner Äsop-Ausgabe von 1501
hinzugefügt hatte: ,,Es ist das Jahr, mit XII Monaten, deren yeder hat dreyssig tag, vnd
jeder XXIIII stunden, vnd sind in yeder LXII minut. die vertreiben nacht vnd tag. vnd
der todt vertreybt es dann alles, oder die zeyt." Die Kunst kennt das Motiv der den
Lebensbaum benagenden Ratten schon wesentlich früher (vgl. das Tympanon des Bap-
tisteriums zu Parma).

7 Mensch warauff ist dein hochfart gstalt

8 Du sichst das ich nym jung vnd alt /

9 Ich keer mich nicht an dein gewalt

I o Babst / keisser / kunig / hertzogen / gfalt /

II Hab ich bischoff vnnd Cardinal
12 Frey graffen / ritter uberal

1) Das Rätsel lautet:

31 ,,Es ist ein bäum der hot zwelff ast

32 Yeder ast hot bei dreissig nast

33 Ein nast hot vierundczwentzig ey

34 Zweyvndsechzig der vogel geschrey

2) „Seidt blutte meidlin wurden wert
Vnd ritter / die nit brauchten Schwert /

Vnd rattes herren ane bert /

Prelatten / pfaffen vngelert

Der kunst vnd tugent nyemant gert /

Vnd recht mit vnrecht wirt versert /

Vnd sünd für tugend wurt geert /

Vnd man all glyder gotz verschwert /

Beschis / vntreuw sich teglich mert /

On not wurth menschlis bluth verrert /

Des armen nott nyemant verhert
Hand sich al stend vnd grad verkert /

Vnd wirth mit plag die weit verzert."

3) Fol. 13 r unten; das kursiv Gedruckte nachträglich eingefügt, das in () Klammern
Gesetzte nachträglich gestrichen. Auf fol. 13 v folgen noch vier weitere, teils mehr mora-
lische, teils mehr satirische Reimpaare, die möglicherweise von Schwenter selbständig bei-
gesteuert sind.
 
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