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auch am meisten der große Leichtsinn der Franzosen: je älter
sie würden, desto mehr Freude hätten sie am Tanze, also am
Wahnsinn.
Der Florentiner Gesandte, Giannozzo Manetti, hielt einmal
vor dem König eine ebenso lange als elegante Rede; dabei hatte
er sich sehr über die dauernde Aufmerksamkeit und Geduld des
Königs zu wundern, der während der ganzen langen Rede nicht
ein einzigesmal die Augen von ihm gewandt oder die Hände be-
wegt habe. Als besonders bemerkenswert erzählte er, zu Beginn
seiner Rede habe sich eine Mücke auf des Königs Nase gesetzt,
und der habe sie nicht früher vertrieben, als bis die Rede ganz
zu Ende war. Ich aber glaube eine solche Begebenheit sehr
wohl unter diese Erzählungen aufnehmen zu dürfen, habe ich
doch gelesen, wie auch Homer mitten unter den Kämpfen der
Götter die Frechheit einer Mücke schildert.
Ungebildete Gaetaner meldeten einst, das Grab des Marcus
Tullius [Cicero] existiere noch und zwar nahe bei Formia an
der Straße nach Rom, kenntlich an alten eingehauenen Buch-
staben. Alfonso war vor Freude fast außer sich, eilte sofort dort-
hin und begann Gesträuch und Gestrüpp vom Grabmal zu ent-
fernen. Als er die Inschrift lesen konnte, merkte er aber bald,
daß es nicht des Marcus Tullius, sondern des Marcus Vitruvius
Grabmal sei, seine Mühe also umsonst war. Auf dem Heimweg
meinte er schmunzelnd, die Gaetaner hätten von der Minerva
zwar Öl, aber keine Weisheit erhalten.
Bei der Belagerung von Gaeta fehlte es an Steinblöcken für
die ungeheuer großen ehernen Geschütze, und man konnte sie
bequem nur aus den Trümmern einer Villa beschaffen, die von
den Umwohnern nach alten Traditionen als die Villa Ciceros
bezeichnet wurde. Doch der König befahl, man möge, so man
bei Vernunft sei, das Haus Ciceros unberührt lassen und die
Steinblöcke anderswoher holen. Lieber sollten seine Geschütze
und Maschinen unbrauchbar und wertlos sein, als daß er einem
Manne durch Beraubung Unrecht tue, der als Anwalt einst so
viele bedeutende Menschen von ungerechter Todesstrafe ge-
rettet habe.
Wir lasen die Briefe desLuciusAnnäus Seneca. Der Gesandte von

3 König Alfonso

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