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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0186
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182 Kuno Mittenzwey

Wohl wird auch eine Spaltung des Bewußtseins angenommen, ähn-
lich wie sie in dem Begriff der »hypnoiden Zustände« ausgedrückt
ist, aber nicht als eine Spaltung von Assoziationskomplexen und Ab-
spaltung eines Hypnoidbewußtseins, sondern als eine Willensspaltung
und Abspaltung eines »Gegenwillens«. Die Veranlassung aber dazu,
daß ein solches Partialbewußtsein zur Objektivierung gelangt, wird
nicht in einem psychischen Trauma gesehen, sondern in der Er-
schöpfung. Die erschöpfte Mutter nimmt sich vor, ja keinen Laut
über die Lippen zu bringen, um das Kind nicht zu stören, in ihrer
Erschöpfung erweist sich die begleitende Kontrastvorstellung, sie
werde es doch tun, als die stärkere, gelangt zur Innervation der
Zunge usw. Ebenso wird in dem Falle der Wöchnerin als Gelegen-
heitsursache die Erschöpfung nach der Entbindung angenommen.
Um diese Wirkung der Erschöpfung zu erklären, wird angenommen,
daß die Erschöpfung »eine bloß partielle« ist, daß sie, in Janets
Terminologie, nur das primäre Ich der Kranken betrifft, während
die gehemmten Kontrastvorstellungen davon unbetroffen und un er-
schöpft bleiben. Doch ist bereits der Gedanke angedeutet, daß die
Vorstellungen, welche den Inhalt der peinlichen Kontrastvorstellungen
ausmachen, »mühsam unterdrückte« Vorstellungen sind, wenn auch
nicht gesagt ist, daß ihnen eine »Reaktion« fehlt. Vor allem fehlt
bei der assoziationspsychologischen Fassung des Willensbegriffes jede
Klarheit darüber, ob die peinlichen Kontrastvorstellungen von sich
aus den Gegenwillen erzeugen, oder ob sie vielmehr erst von einer
primären Willensperversion aus konzipiert werden, und zwar sofort
konzipiert werden als Vorstellungen, welche gehemmt sein sollen,
deren Bestimmung es also normalerweise gar nicht ist, zu einer
Reaktion zu führen.

Doch wolle man unsere Bemerkungen nicht so verstehen, als ob
wir einen vollkommenen Vergleich zwischen der »Vorl. Mitt.« und dem
Aufsatz über den »Gegenwillen« durchführen wollten. Dazu fehlte
der Sache nach die Berechtigung, weil ja dieser Aufsatz sich nur
mit einem Teilproblem beschäftigt. Wir wollten mit diesen Be-
merkungen nichts weiter als andeuten, von welcher Seite her Fkeud
zu dem Gedankenkreis der »Vorl. Mitt.«, den er später in einer ganz
bestimmten Richtung weiterausbauen sollte, den Zugang genommen
haben mag.
 
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