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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0102
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98 Kuno Mittenzwey

Auf diese Vorhaltungen würde Freud wahrscheinlich erwidern:
Es ist lächerlich anzunehmen, daß ich solche alltägliche Dinge über-
sehen hätte. Die Einwendungen des Referenten treffen meine Theorie
gar nicht, weil sie überhaupt nicht bis an deren Kern heranreichen.
Sie beweisen nur, daß der Referent von dem Tatbestand der Fehl-
leistungen nichts mehr zu erfassen vermag, als wie die offizielle
Psychologie davon erfaßt, und daß er das, worauf es ankommt, über-
haupt nicht sieht. Selbstverständlich kann eine Fehlleistung durch
äußere ablenkende Einwirkung hervorgerufen sein. Aber dann bleibt
immer noch die Frage, wieso die so und so beschaffene Ersatzleistung
zustande kommt. Der äußere Reiz kann nichts mehr sein als die
Veranlassung zu der Fehlleistung, richtiger zum Verfehlen des pri-
mären Leistungszieles. Damit ist aber die Ersatzleistung nicht im
geringsten erklärt, sondern diese bedarf ihrer besonderen inhaltlichen
Determinierung. Diese Determinierung kann nur aus der inhaltlichen
Bewußtseinskonstellation gewonnen werden. Da nun im Moment,
ehe der ablenkende Reiz oder überhaupt die die Fehlleistung ver-
anlassende Aufmerksamkeitsschwankung eintritt, das Bewußtseinsfeld
von der Intention der primären Leistung besetzt ist, so ist es logisch
anzunehmen, daß die Ersatzleistung durch irgendwelche Assoziationen
determiniert ist, welche von der Intention der primären Leistung her
angeregt sind. Damit ist, um mich der Terminologie des Referenten
zu bedienen, die Schluß weise von FL über FR auf pR gerecht-
fertigt.

Damit wäre eine Begründung der Freud sehen Fehlleistungs-
theorie geliefert, genauer als wie sie Freud selbst gegeben hat.
Aber diese Begründung wäre nicht stichhaltig. Unterscheiden wir an
den Bedingungen der Ersatzleistung die Veranlassung für den Eintritt
und die inhaltliche Determination für die spezielle Gestaltung der
Ersatzleistung, so ist wiederum wohl in gegebenen Fällen möglich,
daß die Veranlassung in äußeren Umständen gegeben und gleichzeitig
die inhaltliche Determination von pR aus bestimmt ist, aber regel-
mäßig ist auch dieses nicht der Fall. Es sind im Gegenteil Fälle
aufzeigbar, wo sowohl die Veranlassung als auch die inhaltliche
Determination der Ersatzleistung in Bedingungen gegeben sind, die
mit der pR absolut nichts zu tun haben. Wir nennen hierfür als
Beispiel Fälle von Verlesen und Verschreiben, welche sich als
 
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