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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Zweites Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0125
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Zur Phänomenologie und Morphologie der patho-
logischen Wahrnehmungstäuschungen.

Morphologischer Teil.

Von

Wilhelm Specht.

In dem phänomenologischen Teil dieser Arbeit hatten wir ge-
sehen, daß es Halluzinationen mit dem Aktcharakter der Wahr-
nehmung gibt. Halluzinationen, die mit der natürlichen Wahrnehmung
das gemeinsam haben, daß derselbige Gegenstand durch verschie-
dene Sinnesfunktionen gegeben sein kann. Durch dieses die Wahr-
nehmung auszeichnende Merkmal erweisen sich diese Halluzinationen
als echte Wahrnehmungstäuschungen. Damit scheidet für uns die
Frage aus der Diskussion aus, weshalb der Halluzinant seinen Gegen-
stand je nach dessen Beschaffenheit nicht nur sehen, sondern auch
hören, tasten, riechen und schmecken kann. Daß das möglich ist,
ist in dem Wesen der Wahrnehmung begründet. Und wenn
jemand die Frage stellen wollte, weshalb in der natürlichen Wahr-
nehmung ein getasteter Tisch zugleich auch gesehen werden kann,
so antworten wir auf solche Frage mit dem Hinweis auf die phäno-
menologische Tatsache, daß in der Wahrnehmung eben ein hartes
Ding gegeben war, und daß harte Dinge nun einmal nicht nur ge-
tastet, sondern auch gesehen, unter Umständen auch gehört, ge-
schmeckt und gerochen werden können.

Aber während uns in der natürlichen Wahrnehmung wirkliche
Dinge gegeben sind, und doch erst unter dieser Voraussetzung, daß
uns die natürliche Wahrnehmung ein wirklich Bestehendes gibt, die
Rede von Halluzinationen und Illusionen möglich wird, nimmt der
Halluzinant nur vermeintlich wahr, er täuscht sich über das Dasein

Zeitschrift f. Patlopsychologie. IL 9
 
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