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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0109
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Versuch zu einer Darstellung u, Kritik der FuEUDschen Neurosenlehre. 105

auffaßt, wie die »Druckfehlerc in den Witzblättern gelesen sein
wollen, nur daß diese Druckfehler als ein Spiel des hämischen Zu-
falls erscheinen, während Freud nun viel weiter geht und sie als
den entglittenen Ausdruck einer unbewußten Absicht auffaßt. Freud
berichtetet auch selbst, ein Kritiker habe zu seiner »Traumdeutung«
gesagt, sie sei zu witzig. Es ist nun überaus bezeichnend für die
eigentümliche Zähigkeit und Plastizität des Freud sehen Denkens,
daß er darauf nicht etwa die Traumdeutung nnter der Perspektive
der Witzigkeit angesehen und einer Revision daraufhin unterzogen
hat, ob nicht etwa zuviel Kombinatorik darinstecke, sondern daß er
den Witz unter der Perspektive seiner Traumtheorie betrachtet hat.
Und wirklich gelingt es ihm, zu deduzieren, warum die Traum-
deutungen den »unbehaglichen Eindruck« der Witzigkeit machen
müssen, und mit einem ungeheueren theoretischen Apparat stellt er
die These auf, »daß die Traumarbeit mit denselben Mitteln arbeitet
wie der Witz«. Auf diese Weise ist das Buch über den Witz ent-
standen, das die Kritik mit merkwürdiger Übereinstimmung als
Freuds geistreichstes Buch erklärt hat, ohne freilich sonst besonders
viel dazu zu sagen. Das Buch bringt eigentlich nichts zu dem Gegen-
stand unserer Arbeit, die der Neurosenlehre gewidmet sein soll, und
liefert auch für die allgemeinen Prinzipien nichts neues, wie die
anderen normalpsychologischen Arbeiten Freuds. Immerhin können
wir das Buch nicht einfach beiseite lassen, dazu ist es für Freud
viel zu charakteristisch und für die Beurteilung seiner ganzen Art
der Theoriebildung nicht zu entbehren. So müssen wir schon etwas
dabei verweilen, freilich wollen wir nur den prinzipiellsten Gedanken
herausheben und können keine detaillierte Kritik geben. Auch mit
einem eingehenden Referat können wir uns hier nicht aufhalten, so
daß wir vermutlich nur dem Leser verständlich sein werden, der das
Buch bereits kennt.

Das Wesen des Witzes ist begründet in zweierlei Momenten:
in formalen und inhaltlichen, in der witzigen Form und in dem
witzigen Inhalt, oder wie Freud sagt, in der Technik und in den
Tendenzen des Witzes. Freud analysiert zunächst den Witz von
der Formseite her. Er geht dabei so vor, daß er den Witz in seiner
wörtlichen Formulierung vergleicht mit dem schlichten, witzlosen
Ausdruck desselben Gedankens und die Unterschiede feststellt. Am
 
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