Über Echtheit und Unechtheit von Gefühlen. 351
des Typ in dem Gefühl, das er gegen die unendlich vielen anderen
möglichen Typen ausschließt. Die Fragen, die er lösen soll, lauten
also eigentlich: Ist dieser Bau wirklich ein Renaissancebau? Ist
dieses Gefühl wirklich ein Gefühl der Freundschaft? So wie im
täglichen Leben gefragt wird: Ist das echtes Gold?, wo der Sinn nur
der ist, daß nach der materiellen Qualität gefragt wird, daß also
überhaupt das Goldsein in Frage gestellt ist. Dagegen ist der spezi-
fische Begriff der Echtheit der, für welchen Unechtsein nicht alsbald
ein Anderssein im Sinne der Zugehörigkeit zu einem anderen Typ
bedeutet. — Der Sprachgebrauch hat in feinsinniger Weise den
Unterschied zwischen den beiden Echtheitsbegriffen pointiert, obgleich
er durch die Anwendung des Wortes >wirklich« in beiden Fällen die
Gefahr der Vermischung nicht vermeidet. Er sagt in dem Fall der
Unechtheit im typischen Sinn, wo er den Typ des Gefühls leugnet:
»Das ist gar nicht Freundschaft« oder »das ist gar nicht wirklich
Freundschaft«. Wo er aber die Echtheit im Sinne des spezifischen
Begriffs ausschließen will: »Das ist gar keine wirkliche Freundschaft«,
d. h. im Sinne der spezifischen Echtheit verbindet er das Prädikat
»wirklich« als Wesensbestimmung mit dem Gefühlsnamen und unter-
scheidet so zwischen einer unwirklichen Freundschaft und einer wirk-
lichen, während er den Typ als identisch denselben beläßt. Er sieht
so von den Qualitäten des Gefühls, die aus seiner Typuszugehörig-
keit erwachsen, gänzlich ab, so sehr, daß es wohl denkbar ist, daß
er einem Gefühl gegenüber die Frage nach der Echtheit aufwirft,
das in seiner Eigenart völlig unerkannt ist. Es sind also für die
folgende Untersuchung Gefühle nur dann echt, wenn sie dem spezi-
fischen Begriff der Echtheit genügen.
Da der Ort für Gefühle das individuelle Bewußtseins-Ich ist, so
lautet das Problem: Wie ist es möglich, daß Gefühle in diesem Ich
eine zweifache, grundsätzlich verschiedene Stellung einnehmen, welche
sie das eine Mal nur dem typischen Begriff genügen, das andere Mal
in dem besonderen Verhältnis zum Ich stehen läßt, das die Echtheit
im spezifischen Sinn ausmacht?
Wenn wir also nach dem darüber entscheidenden Moment fragen,
so ist fürs erste zu bestimmen, was denn eigentlich unter diesem
»Ich« verstanden ist. Denn zum individuellen Bewußtseins-Ich, so wie
es der unmittelbaren Erfahrung sich darstellt, stehen offenbar alle Ge-
des Typ in dem Gefühl, das er gegen die unendlich vielen anderen
möglichen Typen ausschließt. Die Fragen, die er lösen soll, lauten
also eigentlich: Ist dieser Bau wirklich ein Renaissancebau? Ist
dieses Gefühl wirklich ein Gefühl der Freundschaft? So wie im
täglichen Leben gefragt wird: Ist das echtes Gold?, wo der Sinn nur
der ist, daß nach der materiellen Qualität gefragt wird, daß also
überhaupt das Goldsein in Frage gestellt ist. Dagegen ist der spezi-
fische Begriff der Echtheit der, für welchen Unechtsein nicht alsbald
ein Anderssein im Sinne der Zugehörigkeit zu einem anderen Typ
bedeutet. — Der Sprachgebrauch hat in feinsinniger Weise den
Unterschied zwischen den beiden Echtheitsbegriffen pointiert, obgleich
er durch die Anwendung des Wortes >wirklich« in beiden Fällen die
Gefahr der Vermischung nicht vermeidet. Er sagt in dem Fall der
Unechtheit im typischen Sinn, wo er den Typ des Gefühls leugnet:
»Das ist gar nicht Freundschaft« oder »das ist gar nicht wirklich
Freundschaft«. Wo er aber die Echtheit im Sinne des spezifischen
Begriffs ausschließen will: »Das ist gar keine wirkliche Freundschaft«,
d. h. im Sinne der spezifischen Echtheit verbindet er das Prädikat
»wirklich« als Wesensbestimmung mit dem Gefühlsnamen und unter-
scheidet so zwischen einer unwirklichen Freundschaft und einer wirk-
lichen, während er den Typ als identisch denselben beläßt. Er sieht
so von den Qualitäten des Gefühls, die aus seiner Typuszugehörig-
keit erwachsen, gänzlich ab, so sehr, daß es wohl denkbar ist, daß
er einem Gefühl gegenüber die Frage nach der Echtheit aufwirft,
das in seiner Eigenart völlig unerkannt ist. Es sind also für die
folgende Untersuchung Gefühle nur dann echt, wenn sie dem spezi-
fischen Begriff der Echtheit genügen.
Da der Ort für Gefühle das individuelle Bewußtseins-Ich ist, so
lautet das Problem: Wie ist es möglich, daß Gefühle in diesem Ich
eine zweifache, grundsätzlich verschiedene Stellung einnehmen, welche
sie das eine Mal nur dem typischen Begriff genügen, das andere Mal
in dem besonderen Verhältnis zum Ich stehen läßt, das die Echtheit
im spezifischen Sinn ausmacht?
Wenn wir also nach dem darüber entscheidenden Moment fragen,
so ist fürs erste zu bestimmen, was denn eigentlich unter diesem
»Ich« verstanden ist. Denn zum individuellen Bewußtseins-Ich, so wie
es der unmittelbaren Erfahrung sich darstellt, stehen offenbar alle Ge-