Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

DOI issue:
Viertes Heft
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0487
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zur Phänomenologie u. Morphologie d. path. Wahrnehmungstäuschungen. 483

oder »Sonne«, in der ich meine Wahrnehmung kundgehe, nicht die
Angabe eines unmittelbaren Erlebnisses, eines Sehens ist, sondern
schon Bestimmung, Identifikation, Festlegung durch Subsumtion unter
Begriffe. Nicht aber folgt daraus, daß die Wahrnehmung selbst
schon ein Urteil sei. Es ist im Wesen der Sprache begründet,
daß sie den Gegenstand der Wahrnehmung, über den ausgesagt
wird, nie anders erreichen kann als dadurch, daß sie von ihm all-
gemeine Begriffe prädiziert, und nur dadurch erreicht sie ihren Zweck,
nicht Ersatz der Wahrnehmung zu sein, wohl aber den der Kundgabe,
Mitteilung.

Es ist ein Unterschied, ob ich einen wirklich seienden und so
beschaffenen Gegenstand wahrnehme oder von ihm aussage, daß er
sei oder daß er (À) B sei. Das Wesen- des einfachen nennenden
Aktes (z. B. »Kot« oder »Sonne«) besteht ja nicht in der äußerlichen
Beziehung zwischen dem Wahrnehmungsakte und dem nennenden
Akte, daß zu dem wahrgenommenen Gegenstand eben nur das Wort,
das ihn benennt, hinzukommt. Vielmehr besteht, wie andere, na-
mentlich Husserl l gezeigt haben, zwischen dem sinnroll nennenden
Akt und dem Wahrnehmungsakt eine innerliche, intentionale Be-
ziehung. Indem wir einen wahrgenommenen roten Gegenstand rot
nennen, findet durch die Nennung des Namens die Allgemeinbedeu-
tung des Wortes rot, das mit dem Wort rot gemeinte, das eine ideell
festbegrenzte Mannigfaltigkeit möglicher Anschauungen umspannt,
seine Erfüllung in der einzelnen konkreten Anschauung und zwar in
der Anschauung, in der das Botmoment erscheint, so daß jedes ein-
zelne Objekt, das ein gleichartiges Moment in sich trägt, zur Nen-
nung desselben Namens berechtigt vermöge des ihm identischen
Sinnes. Und so kann Husserl sagen, indem das Wahrnehmungs-
objekt rot benannt wird, wird es als rot erkannt, und erst mittels
dieser Erkenntnis treten der Akt des bedeutsamen Nennens und der
Wahrnehmungsakt in Beziehung, kommen sie zur Einheit. Erfüllung
der Bedeutungsintention des Ausdrucks und Erkennen des Gegen-
standes drücken so, nur von verschiedenen Standpunkten, dieselbe
Sachlage aus, und da, wo ein Akt des Bedeutens sich in einer An-
schauung erfüllt, dürfen wir sagen, es werde »der Gegenstand der

Log. Unters. H S. 498 ff.
 
Annotationen