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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0600
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596 Willy Mayer

mich . . . geschaffen hat. . . ich empfand eine vollkommene Ver-
einigung meines Geistes mit dem seinigen. Alles andere um
mich her versank. Ich empfand in diesem Augenblick nichts
als unaussprechliche Freude und Wonne. Es ist unmöglich das
Erlebnis vollständig zu beschreiben. Es war wie die Wirkung
eines großen Orchesters, wenn alle einzelnen Töne zu einer
Harmonie zusammenschmelzen, die dem Zuhörer nur das Gefühl
erweckt, daß seine Seele emporgehoben wird und vor Entzücken
fast zerspringt . . .«1.

>Denn während ich es nicht erhoffe und nicht daran denke,
wird plötzlich die Seele von Gott dem Herrn erhoben, und ich
umfasse die ganze Welt, und es erscheint mir, ich sei nicht auf der
Erde, sondern stünde im Himmel, in Gott. Und dieser erhabene
Zustand, in dem ich nun bin, ist über den anderen Zuständen,
die ich bisher besaß; denn er ist von so großer Fülle und von
so großer Klarheit und Gewißheit und Veredelung und Erweite-
rung, daß ich fühle: kein anderer Zustand kommt ihm nahe«2.
Wir sind damit unmerklich sehr nahe der Ichaufgabe der echten
Ekstase gerückt, und es ließen sich hier Beispiele und Erörterungen
aus ihrem Problemkreis anschließen. Wegen jener verweisen wir
auf Buber, bei dem, da er die >Einung« für den Kern aller mysti-
schen Erlebnisse hält, reichliches Material zu finden ist. Die Probleme
aber führten von unserem Thema ab in die Phänomenologie des Ich.
Dennoch mahnt die Nähe solcher »Ausnahmezustände« einen
Blick auf den Zustand des Bewußtseins im engeren Sinne zu
werfen. Die eigenartige Hingabe an das Innenleben im Glücks-
rausch können wir nicht als ein normales Bewußtsein bezeichnen;
andererseits aber ist das Erleben ein durchaus hellbewußtes, klares,
noch in der Erinnerung lebendiges. — Wir kommen hier nur zu
einem Ergebnis, wenn wir die beiden Bedeutungen des Begriffs der
Bewußtseinsklarheit, die hier abwechselnd gebraucht werden, schei-
den. Einmal ist unter klarem Bewußtsein die geistige Einstellung
verstanden, welche zweckbewußt auffaßt, urteilt und handelt, in einem

i Mitteilung eines Geistlichen aus der STABBUCKschen Handschriftensammlung-,
nach James, S. 62.

* Angela von Foligno, nach Btjbee, S. 144. Vgl. auch die von James au»
Trine, Amiel, Meysenbug zit. Stellen S. 366—367
 
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