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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0681
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Versuch zu einer Darstellung u. Kritik der FBEUDSchen Neurosenlehre. 677

4. Mit dieser Antwort treten wir über auf ein ganz anderes Ge-
biet des Sinnvoll-Seins. Bei der ersten Frage war gefragt, welche
gegenständliche Bedeutung die einzelnen Inhalte des Traumes haben,
und die Antwort war erfolgt, indem die Teilinhalte des latenten
Inhaltes als ihre Deutung angegeben wurden. Jetzt wird nach der
Bedeutung des Traumes für das Subjekt des Träumenden gefragt;
indem der Traum als Wunsch bezeichnet wird, wird der emotio-
nale Sinn des Traumes angegeben. Der Unterschied ist deutlich.
Wenn wir angesichts eines Eedenden nach dem Sinn seiner Bede
fragen, so kann die Frage dem logischen Inhalt der Bede gelten,
sie kann aber auch dem Sinn des Bedens gelten. Mit der ersten
Frage fassen wir die Bede als inhalthabende Äußerung, wir abstra-
hieren von ihr als Äußerung und sondern den Inhalt aus, und fragen,
wie sich dieser Inhalt zur Welt der richtigen Gegenstände verhält
Mit der zweiten Frage fassen wir die Bede als Ausdruckshandlung
eines psychischen Individuums und fragen, wie sich diese Ausdrucks-
handlung zu diesem Individuum als emotionalem Subjekt verhält.
Die Bede kann sinnlos sein, auch wenn das Beden sinnvoll ist, und
umgekehrt.

Damit werden wir auf die Tatsachen geführt, auf denen allgemein
das Verstehen fremden Bewußtseinslebens beruht. Das Bewußtseins-
leben des fremden Ich ist uns ja nicht unmittelbar, sondern nur in
seinen Äußerungen (Ausdruckshandlungen im weitesten Umfang)
gegeben. Es fragt sich, wie es geschieht, daß wir aus diesen Äuße-
rungen den fremden Menschen »verstehen«. (Wohlgemerkt, es handelt
sich nicht etwa um die Frage, wie es geschieht, daß wir diese
Äußerungen überhaupt als Ausdruck psychischer Vorgänge eines
fremden Ich auffassen. Sondern es handelt sich um das Verstehen
des bestimmten, einzelnen Individuums. Angesichts eines Geistes-
kranken zweifeln wir keinen Augenblick, daß Äußerungen psychischen
Lebens vorliegen, wir zweifeln nur an der Möglichkeit, aus diesen
Äußerungen das kranke Individuum zu verstehen.) Dieses Verstehen
erfolgt nun (ohne eine vollständige Diskussion geben zu wollen; es
kommt nur auf das für uns Wesentliche an) so, daß erstens die auf-
gefaßten Äußerungen überhaupt als »Äußerungen«, d. h. als aus-
druckswertig aufgefaßt werden, und zweitens daß der entnommene
Ausdrucksinhalt in einen Zusammenhang des Verstehens eingeordnet
 
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