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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0266
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262 Ludwig Klagen

bloßes Richten des Steuers. Wie das Schiff zwar mit und ohne
Steuer, nicht aber ohne Triebwerk vom Platze kommt, so bedarf
auch jede lebendige Bewegung einer treibenden Kraft und diese ist
ausnahmslos unwillkürlich, mag in den ungenau schlechtweg will-
kürlich genannten immerhin zu ihr noch hinzutreten das Steuer des
Willens. Darum zeigt jede Handlung Ausdruckszüge und in ihnen
die Lebenseinheit des Handelnden. Der Gedanke enthält jedoch ge-
wisse Einsichten in die biologische Funktion des Willens, die nicht
Allgemeingut sind, weshalb wir ihn zunächst auf andere Weise ver-
deutlichen.

Gäbe es Willensakte fur sich, so wüßten wir bald, was sie zu
leisten vermögen, was aber nicht. Allein der wohlunterscheidbare
Willensakt, vermöge dessen einer den Arm ausstreckt, ist nicht zu
trennen von ihm, dem Wollenden. Wenn wir schon in seiner Be-
wegung ein Wollen erfassen, so ist es unfraglich sein Wollen, nicht
Wollen überhaupt und nicht eines anderen. Nur mit Bezug auf ge-
wisse Verhaltungen lebendiger Wesen sprechen wir vom Wollen und
nur, daß solche Verhaltungen möglich sind, sagen wir kürzer durch
Unterschiebung einer Willenskraft. Dann genügt es aber auch, sich
dieses Umstandes bewußt zu werden, um einzusehen, daß im Tun
des Wollenden notwendig zur Erscheinung komme er selbst, seine
Lebenseinheit und, sofern er ein geistiges Wesen ist, seine Persön-
lichkeit. Ingestalt eines Schemas stellt sich das folgendermaßen
dar. Eine Bewegung B sei hervorgegangen aus einem Willensakt W,
im Willensakt W erscheint die Persönlichkeit P des Wollenden, folg-
lich erscheint sie nicht minder auch in der Bewegung B. Liegen

*-B

mit anderen Worten Merkmale vor, die uns erlauben, in einer Be-
wegung ein Tun zu sehen, so muß sie daneben auch solche zeigen,
kraft deren das Tun einen Ausdruck hat, und erfassen wir mittels
jener den Zweck des Wollenden, so mittels dieser den zwecksetzen-
den Charakter: in jeder Willkürbewegung steckt die persön-
liche Ausdrucksform.
 
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