108 Hattingberg, Zur Psychologie des kindlichen Eigensinnes.
allein, weil auch sie im Einzelfall sich in der Form des eigensinnigen
Verhaltens äußern können, sondern aus einem tieferen Grunde. Wenn
ich mich als Herrschenden, als Wirkenden erlebe, kann ich auch
daraus, aus den sichtbaren Folgen meines Handelns, zu einer Fest-
legung, zu einer Zusammenfassung, jedenfalls zu einem greifbaren
Beweis meines Ichs gelangen. Ich kann endlich ans der Qualität
meiner Wirkungen ruckschließend auch diesem Ich den nicht selbst
erlebten Wert verschaffen. Und so bekommt der Wille zur Macht,
der Wille, sich als Ursache, als Wirkenden zu erleben beim Ich-
Schwachen noch eine ganz andere Betonung, eine unendlich viel zen-
tralere Bedeutung ; so kann bei ihm jeder Einzelfall zur Entscheidung
— über »Sein oder Nichtsein« werden. Gerade wie die aktive Ag-
gression wird aber auch der Wille zur Macht — er manifestiere sich
denn im philosophischen System — den Ich-Schwachen zur Aktivität
drängen und damit abermals den Eigensinn begünstigen.
Wir könnten uns nach diesen Darlegungen den Charakter des
eigensinnigsten Menschen konstruieren. Es wäre ein nicht zu intel-
ligenter Mensch mit großer Ich-Schwäche, sehr leicht verletzlich, da-
bei aggressiv tätigkeitsbedürftig, mit starken Herrschtrieben, die ihm
sichtbare erfolgreiche Wirkungen seines Wollens nötig machten, ohne
daß er wegen seiner mangelhaften Anpassung an die ihm überlegene
Umwelt je »sich durchsetzen« könnte.
Die Probe aufs Exempel kann jeder machen, der imstande ist
einfühlend das Handeln seines Mitmenschen zu verstehen. In einem
sehr wesentlichen Punkt ist, wie ich glaube, die Sprache zur selben
Ansicht gekommen. — Wenn sie solche Menschen »eigensinnig« nennt,
und dabei durch den Nebenton den echten »eigenen Sinn« verneint,
wie beim Hochmut den »hohen Mut«, so scheint sie zu wissen: der
»Eigensinnige« entbehre nichts so sehr, wie »eigenen Sinn«.
allein, weil auch sie im Einzelfall sich in der Form des eigensinnigen
Verhaltens äußern können, sondern aus einem tieferen Grunde. Wenn
ich mich als Herrschenden, als Wirkenden erlebe, kann ich auch
daraus, aus den sichtbaren Folgen meines Handelns, zu einer Fest-
legung, zu einer Zusammenfassung, jedenfalls zu einem greifbaren
Beweis meines Ichs gelangen. Ich kann endlich ans der Qualität
meiner Wirkungen ruckschließend auch diesem Ich den nicht selbst
erlebten Wert verschaffen. Und so bekommt der Wille zur Macht,
der Wille, sich als Ursache, als Wirkenden zu erleben beim Ich-
Schwachen noch eine ganz andere Betonung, eine unendlich viel zen-
tralere Bedeutung ; so kann bei ihm jeder Einzelfall zur Entscheidung
— über »Sein oder Nichtsein« werden. Gerade wie die aktive Ag-
gression wird aber auch der Wille zur Macht — er manifestiere sich
denn im philosophischen System — den Ich-Schwachen zur Aktivität
drängen und damit abermals den Eigensinn begünstigen.
Wir könnten uns nach diesen Darlegungen den Charakter des
eigensinnigsten Menschen konstruieren. Es wäre ein nicht zu intel-
ligenter Mensch mit großer Ich-Schwäche, sehr leicht verletzlich, da-
bei aggressiv tätigkeitsbedürftig, mit starken Herrschtrieben, die ihm
sichtbare erfolgreiche Wirkungen seines Wollens nötig machten, ohne
daß er wegen seiner mangelhaften Anpassung an die ihm überlegene
Umwelt je »sich durchsetzen« könnte.
Die Probe aufs Exempel kann jeder machen, der imstande ist
einfühlend das Handeln seines Mitmenschen zu verstehen. In einem
sehr wesentlichen Punkt ist, wie ich glaube, die Sprache zur selben
Ansicht gekommen. — Wenn sie solche Menschen »eigensinnig« nennt,
und dabei durch den Nebenton den echten »eigenen Sinn« verneint,
wie beim Hochmut den »hohen Mut«, so scheint sie zu wissen: der
»Eigensinnige« entbehre nichts so sehr, wie »eigenen Sinn«.