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Noch ferner steht die legende von Judas Ischarioth.
Hier wird die aussetzung, die im übrigen der in der
Gregoriuslegende ähnlich ist, durch einen unheilverkün-
denden traum veranlasst. In die heimat zurückgekehrt
tötet Judas bei einem diebstale seinen vater und hei-
ratet seine mutter. Nach entdeckung der verwandt-
schaft begibt er sich, um sich von der sünde zu reini-
gen, unter die jünzer Jesu.
Bei der Judaslegende kann es kaum zweifelhaft
sein, dass sie aus der Oedipussage abgeleitet ist. Nicht
so sicher ist das bei der Gregoriuslegende und ihren
näheren verwandten !). Neuerdings ist eine legende
bekannt geworden, welche einige züge mit der von
Judas, andere mit der von Gregorius gemein hat.
Sie findet sich mit mannigfachen variationen in einer
russischen sammelhandschrift aus dem 17. jahrh.?), und
in mehreren aus mündlicher überlieferung in Russland
und im finnischen Karelien aufgezeichenten erzählun-
gen?). Der held heisst wenigstens in einigen fassungen
Andreas. Die entwickelung stimmt zunächst in ‘den
wesenilichsten zügen mit der Judaslegende. Eine noch
grössere übereinstimmung mit der Oedipussage findet
darin statt, dass direct geweissagt wird, Andreas
werde den vater erschlagen und die mutter heiraten.
Es folgt dann aber eine busse die mit der des Gregorius
nahe verwandt ist und noch näher mit der des Paulus
von Cäsarea. Auch dass Andreas zum schluss bischof
von Kreta wird, erinnert an Gregorius. Man ist danach
versucht etwa folgende entwickelungsscala der sage
aufzustellen: Oedipus — Judas — Andreas — Paulus
von Cäsarea — Gregorius, immer unter dem vorbehalt,
dass in jeder von diesen sagen einzelne züge erst nach
ableitung der nächsten stufe ausgebildet sind. Indessen
1) Geläugnet wird es von Comparetti s. 88. Aus einer verstümmel-
ten gestalt der griechischen sage sucht Lippold s. 52 die Gregoriuslegende
abzuleiten. Nichts über das historische verhältniss ergibt sich aus der
schrift von A. Heinze, Gregorius auf dem steine, der mittelalterliche Oedi-
pus’ (Programm des gymnasiums zu Stolp 1877). 2) Vgl. Diedrichs
8: 131, Sniith 's. 129. 3) Vgl. Diedrichs s. 138 ff., Smith s. 120.
Noch ferner steht die legende von Judas Ischarioth.
Hier wird die aussetzung, die im übrigen der in der
Gregoriuslegende ähnlich ist, durch einen unheilverkün-
denden traum veranlasst. In die heimat zurückgekehrt
tötet Judas bei einem diebstale seinen vater und hei-
ratet seine mutter. Nach entdeckung der verwandt-
schaft begibt er sich, um sich von der sünde zu reini-
gen, unter die jünzer Jesu.
Bei der Judaslegende kann es kaum zweifelhaft
sein, dass sie aus der Oedipussage abgeleitet ist. Nicht
so sicher ist das bei der Gregoriuslegende und ihren
näheren verwandten !). Neuerdings ist eine legende
bekannt geworden, welche einige züge mit der von
Judas, andere mit der von Gregorius gemein hat.
Sie findet sich mit mannigfachen variationen in einer
russischen sammelhandschrift aus dem 17. jahrh.?), und
in mehreren aus mündlicher überlieferung in Russland
und im finnischen Karelien aufgezeichenten erzählun-
gen?). Der held heisst wenigstens in einigen fassungen
Andreas. Die entwickelung stimmt zunächst in ‘den
wesenilichsten zügen mit der Judaslegende. Eine noch
grössere übereinstimmung mit der Oedipussage findet
darin statt, dass direct geweissagt wird, Andreas
werde den vater erschlagen und die mutter heiraten.
Es folgt dann aber eine busse die mit der des Gregorius
nahe verwandt ist und noch näher mit der des Paulus
von Cäsarea. Auch dass Andreas zum schluss bischof
von Kreta wird, erinnert an Gregorius. Man ist danach
versucht etwa folgende entwickelungsscala der sage
aufzustellen: Oedipus — Judas — Andreas — Paulus
von Cäsarea — Gregorius, immer unter dem vorbehalt,
dass in jeder von diesen sagen einzelne züge erst nach
ableitung der nächsten stufe ausgebildet sind. Indessen
1) Geläugnet wird es von Comparetti s. 88. Aus einer verstümmel-
ten gestalt der griechischen sage sucht Lippold s. 52 die Gregoriuslegende
abzuleiten. Nichts über das historische verhältniss ergibt sich aus der
schrift von A. Heinze, Gregorius auf dem steine, der mittelalterliche Oedi-
pus’ (Programm des gymnasiums zu Stolp 1877). 2) Vgl. Diedrichs
8: 131, Sniith 's. 129. 3) Vgl. Diedrichs s. 138 ff., Smith s. 120.