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Paulus, Eduard [Bearb.]
Die Cisterzienser-Abtei Maulbronn — Stuttgart, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.8040#0041
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37

Kunstgeschichlliche Ouellen.

Stellen wir noch zum Schlusse die wichtigsten kunstgeschichtlichen Werke übcr
Maulbronn dcr Zeit nach zusammen:

Nonnnikntu Nonnstsrü Nnlitontuni priinnm eotloetn st äolilioutn Indoro
Lbsrli. t'riä. äoniseb, iVI. Nnlik. Vniio 1769 mit Zeichnungen. Manuscript
in der Ephvratsregistratnr in Maulbronn.

Das Würtenbergische Clvster Maulbronn, beschrieben von M. Andreas Gottlieb
Hartmann, Pfarrer zu Eberdingen. Vimo 1784 mit Zeichnungen. Manuseript
in der Bibliothek des K. statistisch-topographischen Bureau in Stuttgart.

Das für Maulbronn bahnbrechende Werk, Fr. Eisenlohr, Mittelalterliche
Bauwerke in Südwestdeutschland und am Rhein, Cistercienscrkloster Aiaulbronn, nüt
30 Tafeln und Artistischer Beschreibung von K. Klunzinger. 1853; letztcre in
vierter Auflage erschienen, München, 1861. Ferner K. Klunzingcr, Urkundliche
Geschichte der vorm. Cisterzienserabtei Maulbronn, Stuttgart, 1854.

Wegweiser durch das Kloster Maulbronn von I. u. P. Hartmann. Stutt-
gart 1864, Zweite Aufl. 1875.

Beschreibung des Oberamts Maulbronn, herausgegebcn vom K. statistisch-
topvgraphischen Bureau, Stuttgart, 1870.

AußerdemwurdeMaulbronn vielfach besprochen in denKunstgeschichten Schnaase's,
Otte's, Kugler's, Lübke's, von letzterem noch besonders in der Fahrt durch
Süddeutschland, deutsches Kunstblatt, 1855, in H. Leibnitz, die Organisation der
Gewölbe im christlichen Kirchenbau, Leipzig, T. O. Weigel, 1855, W. Lotz, die
Kunsttopographie Deutschlands, B. II., Cassel, 1863, R. Dohme, die Kirchen
des Cistercienserordens in Deutschland während des Mittelalters, Leipzig, Seemann,
1869. — Abbildungen in Kallenbach's Atlas zur Geschichte der deutschen Bau-
kunst, München, 1847, ferner in Kallenbach u. I. Schmitt, die christliche
Kirchenbaukunst des Abendlandes von ihren Anfängen bis zur vollen Durchbildung
des Spitzbogensthls (1850), E. Fvrster, Denkmüler dcr Deutschen Baukunst,
B. VII. (1861) und (von Essenwein) in Mittheilnngen der K. K. Central-
commission zur Erforschung nnd Erhaltung der Bandcnkmale, VI. Jahrgang,
Wien, 1861, und endlich in den Zahresheften des württemb. Alterthnmsvercins,
H. VIII., Aufnahmc des Abtsstuhls von C. Beisbarth.

Zum Hchlusse.

Werfen wir noch, vor dem Scheiden, einen Blick über das Kloster hin; klar
und bestimmt, ja in diesem engen Nahmen fast erschvpfend, zeigt es uns die Ent-
wicklung, das Wachsen, Blühen und Ausblühen der Baukunst des Mittelaltcrs. —
Eine stattliche Reihe genannter und ungenannter Meister setzen ihr Bestes ein; vom
halbmythischen Mvnch Hermannus (nach 1150) bis hinab zu Hans Remer von
Schmie (1550). Vierhundert Jahre lang haben hier, fern von dcr fricdlosen Welt,
gottergebenc Männer in tiefer, oft über ein Leben ausgcdehnter Muße gebaut, ge-
meißelt und gcmalt, — so daß es kein Wunder, wenn wir im Einzelnen die Fülle
des Sehenswürdigen nie ganz bewältigen, bei jedem Besuch, offen am Weg liegend
oder dämmrig vcrsteckt, wieder neue Schönheiten ftnden.

Wir sehen die starren rechtkantigen Massen der noch ungctrübten romanischen
Baukunst, die flüssige, schwungvoll bewegte Formenwelt des Uebergangs, — entstanden
durch plötzlich aus der Fremde (Frankreich) herüberdringenden Hauch, der die Glieder
löst und belebt; ordnungslos eine Zeit lang, dann aber ruht in sich selbst, in sieg-
stolzer Kraft, die blühende Gothik. Wir sehen sie matt und derb werden und wieder
die luftigen spätgothischen Hallen, über deren hartrippige Gewölbmaschen eine schon
in die Renaissance hineinspielende Malerei sich fröhlich mildernd ergießt — und
nimmer, auch bis zum letzten Bauwerke nicht, verläßt sie der malerische Reiz, der
geheimnißvolle Zauber gedrängt einfallenden Lichts und cinfach-schöner Verhältnisse.

Man lernt hier mühelos im Anschauen das Entstehen und Vergchen der Formen;
nehmen wir nur das Fenstermaßwerk und die Säule. Jenes urthümlichst am Laien-
refektorium (um 1201): zwei tiefeingeschrägte Rundbogenfenster dicht neben einander,
darüber ein ebenso tiefes Rundfenster; urthümlich auch noch, gcnial bewegt und
befangen zugleich, erscheinen, niit eingezwüngtem Rund, die Klceblattfenster des Para-
dieses, schon ein Bogen (noch ein halbrunder) darüber; immer noch etwas schwer,
abcr voll edelsten Lebens, dic prüchtigen Fenster des westlichen Krenzgangsflügels: zwei
leicht gefüllte Bögen und eine große Fünfblattrosette, von einem Spitzbogen über-
spannt und noch durch die Steinwand geschiedcn, während an den Arkadenfenstern
des Kapitelsaals Alles in Stabwerk sich löst, streng noch, herb, aber voll An-
muth. Bis hieher kein Pfostenwerk, nur Rohrsäulen oder Säulen mit angesetztcn
Dreiviertelssäulchen; mit dem Eindringen der Pfosten (mit vorgesetzten Rund-

oder Birnstäben) wird das Maßwerk noch reicher und freier, aber selten mehr so
rein; dies zeigen die Fenstcr des Nord- und Ostflügels des Kreuzgangs und die
riesigen Prachtfenster des Chors; dann fallen die Rundstäbe ab, nackte Pfosten ver-
zweigen sich großlöcherig und breit in den um 1424 an die Kirche angesetzten
Kapellen, oder reizender wicder in dcn Fischblasenmustern der spätesten Bauten zu
Ende des 15. Jahrhundcrts.

Die Säule, erst als Halb- oder Viertelssäule gebunden an den rechtwinkligen
Pfeiler, am Hauptportal sogar in dessen Kümpferwulstung hineingezwungcn, wird in
der Kirche schon freier als Halbsüule und als Ecksäule in den Querschiff-Kapellen mit
eigenem Kapitell (Würfelknauf). Von 1200 an bricht auch sie alle Fesseln, prangt
edel und fest als Doppelsäule im Laienrefcktorium, als hohe gewirtelte Rundsüulc
die Mitte des Herrenrefektoriums entlang und führt nun sosort in diesem und dem
Südflügel des Kreuzgangs an dcn Wünden ein Leben auf eigene Faust. Rohrsüulc
wird an Rohrsäule gehäuft, an die Mauern geklebt, ja sogar bis in die Gewölbe
hinaufgeschoben — dagegen erscheint im freudigsten Gleichgewicht diese schönste
Gestalt der Baukunst (die Säule nümlich) in dem gleichzeitigcn Paradies und
weiter in dem erst uni 1300 erbauten Kapitelsaal und den übrigen Kreuzgangs-

flügeln, allein oder als Bündelsünle in hvlder Anmuth die schönen Rippenkrcuz-

gewölbe tragend. Dann verschwindet sie ganz im Pfostenwerk der Spätgothik, um

beim Erlöschen dersclbcn, zn Beginn des 16. Jahrhunderts, zurückgehend auf den

romanischen Stil, im Entenfnßsaal als hohc, mit gothischem Stab- und Blumcnwcrk
umflochtene, cigenthümlich schöne Würfclknaufsüule uoch cinmal aufzutauchen.

Fig. 1SS.

Ostfliigel des Kreuzgangs.

Wechselvoller noch als die Säule und ihre Verwendung ist die Form ihres
Kapitells; den Würfelknanf mit glatten Schildern, oder diese mit Sternchen, Rvsettchen,
Blüttchen geschmückt, begleitet der schwere, von Sailen umschnürte, von kurzem antiki-
sirendem Akanthus vder bescheidenem Rebengewind umhüllte. Mit der Stilwendung
um 1200 kommt ohne Vermittlung die Kelch- oder umgestürzte Glockenform auf,
überzieht sich mit maureskcm Akanthus und keck hinausgreifenden Blätteraufrollungen,
stark stilisirt, phantasievoll und prächtig; dann in der Frühgothik, und gcrade in
Maulbronn wunderbar schön und merkwürdig reich, mit einem Zierwerk, das dcn ver-
schiedensten wildwachsendcn Pflanzen strcng nachgebildet wurde, im Lauf des 14. Jahr-
hunderts immer loser und lockerer wird, bis es im 15. vollends verschwindet. —
Aehnliche Wandlungen des Laubwerks zeigcn die so zahlreichen und meist ganz herr-
lichen Schlußsteine, nur daß an ihnen beim Loserwerden in den Lücken figürlicher
Schmuck, erst Thier-, dann Menschengebilde, sich vordrängt, und schließlich unbestritten
die ganze Stelle behauptet.

Wie im Besonderen, so gibt auch im Großen, Stil und Stellung der ver-
schiedenen Bauwerke immer neue stimmungsvolle Einblicke, überraschende Durchsichten,
malerische Gruppen; und dabei sind diese Bilder der Kunst meistens nicht allein,
sondern unauflöslich verknüpft mit denen der Natur und prägen sich deßhalb um
so unauslöschlicher in die Seele; sei es, daß wir Rast halten unter den Linden,
vor uns die Vorhalle mit den rohrschlanken Säulen, im Garten des Kreuzgangs
wandeln bei blühenden Rosenbüschen und dcm Gemurmel des dreischaligen Brunnens
odcr im großcn Ephoratsgarten untcr rauschenden Wipfeln am epheuumsponnenen
Faustthurme trüumen, bestauncnd den Ernst dcr Kreuzarme der Kirche, odcr daß wir
einsam im Abendroth über dcm Spiegel dcs tiefen See's nur noch die Spitzen des
Klosters auftauchen sehen und die Abendglocke zum stillen Gebet ruft. Am schönsten
im Herbst, wenn die Blütter fallen uud dic Vergänglichkeit des Naturlebens zusammen-
stimmt mit dcm Geist, der diesc von der Zeit verlassenen Hallen in sanfter Wehmuth
durchflüstert.
 
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