COMMEDIA DELL’ ARTE
(bespräche mit Qoethe in den letzten Jahren seines Eebens, von
Johann Peter Eckermann. Sonntag, den 14.Pebruari830j.
Goethe erzählte uns die Art und Weise, wie Gozzi sein
Theater dell’ arte zu Venedig eingerichtet hatte, und wie seine
improvisierende Truppe beliebt gewesen. „Ich habe", sagte er,
„zu Venedig noch zwei Aktricen jener Truppe gesehen, beson-
ders die Brighella, und habe noch mehreren solcher improvisierten
Stücke mit beigewohnt. Die Wirkung, die diese Leute hervor-
brachten, war außerordentlich."
Goethe sprach sodann über den Neapolitaner PulcinelL „Ein
Hauptspaß dieser niedrig-komischen Personnage", sagte er, „be-
stand darin, daß er zuweilen auf der Bühne seine Rolle als
Schauspieler auf einmal ganz zu vergessen schien. Er tat, als
wäre er wieder nach Hause gekommen, sprach vertraulich mit
seiner Familie, erzählte von dem Stücke, in welchem er gespielt,
und von einem andern, worin er noch spielen sollte; auch ge-
nierte er sich nicht, kleinen Naturbedürfnissen ungehinderte Frei-
heit zu lassen." — „Aber, lieber Mann", rief ihm sodann seine
Frau zu, „du scheinst dich ja ganz zu vergessen; bedenke doch
die werte Versammlung, vor welcher du dich befindest!" —
„E vero! E vero!" erwiderte darauf Pulcinell, sich wieder be-
sinnend, und kehrte unter großem Applaus der Zuschauer in sein
voriges Spiel zurück. Das Theater des Pulcinell ist übrigens von
solchem Ruf, daß niemand in guter Gesellschaft sich rühmt, darin
gewesen zu sein. Frauen, wie man denken kann, gehen überall
nicht hin, es wird nur von Männern besucht."
„Der Pulcinell ist in der Regel eine Art lebendige Zeitung.
Alles, was den Tag über sich in Neapel Auffallendes zugetragen
hat, kann man abends von ihm hören. Diese Lokalinteressen,
verbunden mit dem niederen Volksdialekt, machen es jedoch dem
Fremden fast unmöglich, ihn zu verstehen."
Bei der Wiedergabe dieses Gespräches ist Eckermann ein Irr-
tum unterlaufen: nicht die Brighella, sondern den Brighella
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(bespräche mit Qoethe in den letzten Jahren seines Eebens, von
Johann Peter Eckermann. Sonntag, den 14.Pebruari830j.
Goethe erzählte uns die Art und Weise, wie Gozzi sein
Theater dell’ arte zu Venedig eingerichtet hatte, und wie seine
improvisierende Truppe beliebt gewesen. „Ich habe", sagte er,
„zu Venedig noch zwei Aktricen jener Truppe gesehen, beson-
ders die Brighella, und habe noch mehreren solcher improvisierten
Stücke mit beigewohnt. Die Wirkung, die diese Leute hervor-
brachten, war außerordentlich."
Goethe sprach sodann über den Neapolitaner PulcinelL „Ein
Hauptspaß dieser niedrig-komischen Personnage", sagte er, „be-
stand darin, daß er zuweilen auf der Bühne seine Rolle als
Schauspieler auf einmal ganz zu vergessen schien. Er tat, als
wäre er wieder nach Hause gekommen, sprach vertraulich mit
seiner Familie, erzählte von dem Stücke, in welchem er gespielt,
und von einem andern, worin er noch spielen sollte; auch ge-
nierte er sich nicht, kleinen Naturbedürfnissen ungehinderte Frei-
heit zu lassen." — „Aber, lieber Mann", rief ihm sodann seine
Frau zu, „du scheinst dich ja ganz zu vergessen; bedenke doch
die werte Versammlung, vor welcher du dich befindest!" —
„E vero! E vero!" erwiderte darauf Pulcinell, sich wieder be-
sinnend, und kehrte unter großem Applaus der Zuschauer in sein
voriges Spiel zurück. Das Theater des Pulcinell ist übrigens von
solchem Ruf, daß niemand in guter Gesellschaft sich rühmt, darin
gewesen zu sein. Frauen, wie man denken kann, gehen überall
nicht hin, es wird nur von Männern besucht."
„Der Pulcinell ist in der Regel eine Art lebendige Zeitung.
Alles, was den Tag über sich in Neapel Auffallendes zugetragen
hat, kann man abends von ihm hören. Diese Lokalinteressen,
verbunden mit dem niederen Volksdialekt, machen es jedoch dem
Fremden fast unmöglich, ihn zu verstehen."
Bei der Wiedergabe dieses Gespräches ist Eckermann ein Irr-
tum unterlaufen: nicht die Brighella, sondern den Brighella
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