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Peltzer, Alfred
Deutsche Mystik und deutsche Kunst — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 21: Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.61383#0084
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schon, die Mystik ist in mancher Hinsicht durchaus als eine
Vorläuferin der Reformation anzusehen.
Die schriftlichen Aufzeichnungen, welche wir über und aus
jenen Klöstern besitzen, die von Nonnen verfassten Berichte
über das Leben und die Visionen der Schwestern und manche
Briefe, die dem Verkehr einiger Klosterfrauen mit verschiedenen
der bedeutendsten mystischen Predigern und Theoretikern ihre
Entstehung verdankten, beweisen, dass in allen diesen Klöstern
eine hohe Bildung zu Hause war. Die meisten Nonnen ver-
standen Latein und konnten lesen und schreiben. Das Schreiben
und Abschreiben für sich und andere war eine Hauptthätigkeit
innerhalb jener Klostermauern, womit manches Geld verdient
wurde, das dann oft, so wird berichtet, zum Ankauf von
Gemälden und anderem Schmuck der Kirchen Verwendung fand.
Verschiedene der hier zu nennenden Schwesterkonvente
haben sich ihre Klosterräume mit umfangreichen Wandgemälden
schmücken lassen, die z. T. von hoher kunstgeschichtlicher Be-
deutung sind, wie wir sehen werden. Es geschah dies in einer
Zeit, wo die Herrschaft des gothischen Styls die Freskomalerei
in Deutschland sonst sehr zurückgedrängt hatte. Diese Klöster
also scheinen, trotz der Ungunst der damaligen Kunstrichtung,
auf eine solche ins Grosse gehende Kunstbethätigung nicht
haben verzichten wollen ; vielleicht waren sie auch von Italiens
Beispiel angeregt worden, mit dem sie durch ihre Beziehungen
zu dortigen Dominikanerklöstern in Verbindung standen und von
dessen grosser monumentaler Kunst sie manche Kunde vernom-
men haben mögen.
Doch wenden wir uns jetzt verschiedenen einzelnen Klöstern
im Besonderen zu. Gehen wir zunächst nach Colmar zum
dortigen Nonnensitze Unterlinden, dessen umfangreiche Gebäude
heute noch stehen, jedem kunstliebenden Besucher der Stadt wohl
bekannt und vertraut, da in seinen Räumen, in seinem Kreuz-
gang und seiner Kirche jetzt wertvolle Kunstsammlungen und
die Bibliothek untergebracht sind. Im Chor der dortigen Kirche
wurden vor einigen Jahrzehnten Reste von Wandgemälden aus
dem 14. Jahrhundert entdeckt. Schnaase berichtet kurz von
ihnen; heute ist leider nichts mehr zu sehen, so dass wir
keine weitere Auskunft geben können. Die französische Revo-
 
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