Konventioneller Typus — Charakterdarstellung
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Stellung innerhalb der menschlichen Gesellschaft andeuten, die
der Dargestellte einnimmt. Ein Werkzeug in der Hand, — eine
kriegerische Rüstung — ein Raum mit bestimmtem Gerät als
Hintergrund — und die Individualität des Dargestellten wird
sich uns sofort mit einem besonderen Gattungsbegriff ver-
knüpfen. Das repräsentative Reiterporträt — von Tizian in
seinem »Carl V.« in Madrid mit voller Bravour und vorbildlich
für Rubens und Velasquez und manche Andere hingestellt —
zeigt gebührend den Herrscher oder den Feldherrn an.
Freilich, die exakte Uniformtreue allein wird es nie tun.
Es gilt zugleich den Charakter im Typus zu erfassen, ihn bloß
durch das Beiwerk mitbestimmen zu helfen.
5. Die Charakterdarstellung
Die Philosophen machen einen Unterschied zwischen dem
sogenannten intelligiblen Charakter des Menschen und dem
empirischen, indem sie unter dem ersteren das innerste Wesen,
wie es unabhängig von aller Eebenserfahrung und Lebens-
äußerung gleichbleibend beruht, gewissermaßen seine „Idee“
verstehen, unter dem anderen aber die eigentliche Erscheinung
dieses ersteren in der Wirklichkeit von Zeit und Raum, wie sie
sich in der Art seines Lebenslaufes und seiner Beziehungen zur
übrigen Welt äußert und durch seine Handlungsweise doku-
mentiert. Es ist damit eine Unterscheidung gemacht, die keines-
wegs eine willkürliche ist, noch bloß abstrakten Zwecken dient.
Müssen wir doch zugeben, daß in dem empirischen Charakter
eines Menschen durchaus nicht immer alle Seiten zur völligen
Äußerung und damit zur Kenntnis für die Mitmenschen zu
gelangen brauchen, die in seines Wesens Kern, in der Möglich-
keit eben jenes seines intelligiblen Charakters stecken.
Der tiefste Menschenkenner wird der sein, welcher nicht
bloß angeben kann, was und wie ein anderer im gegebenen
Moment tun und handeln wird, sondern auch zu was er allen-
falls fähig sein könnte, wenn die Lebenslage eine andere wäre.
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Stellung innerhalb der menschlichen Gesellschaft andeuten, die
der Dargestellte einnimmt. Ein Werkzeug in der Hand, — eine
kriegerische Rüstung — ein Raum mit bestimmtem Gerät als
Hintergrund — und die Individualität des Dargestellten wird
sich uns sofort mit einem besonderen Gattungsbegriff ver-
knüpfen. Das repräsentative Reiterporträt — von Tizian in
seinem »Carl V.« in Madrid mit voller Bravour und vorbildlich
für Rubens und Velasquez und manche Andere hingestellt —
zeigt gebührend den Herrscher oder den Feldherrn an.
Freilich, die exakte Uniformtreue allein wird es nie tun.
Es gilt zugleich den Charakter im Typus zu erfassen, ihn bloß
durch das Beiwerk mitbestimmen zu helfen.
5. Die Charakterdarstellung
Die Philosophen machen einen Unterschied zwischen dem
sogenannten intelligiblen Charakter des Menschen und dem
empirischen, indem sie unter dem ersteren das innerste Wesen,
wie es unabhängig von aller Eebenserfahrung und Lebens-
äußerung gleichbleibend beruht, gewissermaßen seine „Idee“
verstehen, unter dem anderen aber die eigentliche Erscheinung
dieses ersteren in der Wirklichkeit von Zeit und Raum, wie sie
sich in der Art seines Lebenslaufes und seiner Beziehungen zur
übrigen Welt äußert und durch seine Handlungsweise doku-
mentiert. Es ist damit eine Unterscheidung gemacht, die keines-
wegs eine willkürliche ist, noch bloß abstrakten Zwecken dient.
Müssen wir doch zugeben, daß in dem empirischen Charakter
eines Menschen durchaus nicht immer alle Seiten zur völligen
Äußerung und damit zur Kenntnis für die Mitmenschen zu
gelangen brauchen, die in seines Wesens Kern, in der Möglich-
keit eben jenes seines intelligiblen Charakters stecken.
Der tiefste Menschenkenner wird der sein, welcher nicht
bloß angeben kann, was und wie ein anderer im gegebenen
Moment tun und handeln wird, sondern auch zu was er allen-
falls fähig sein könnte, wenn die Lebenslage eine andere wäre.