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Conze, Alexander ; Humann, Carl; Bohn, Richard
Die Ergebnisse der Ausgrabung zu Pergamon 1880-1881: Vorläufiger Bericht, in: Jahrbuch der Königlich-Preußischen Kunstsammlungen, 3.1882, S. 47-90 — Berlin, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.912#0029
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VON RICHARD BOHN 7$

That fanden sich auch einige Plinthen von 0.21 Meter Höhe, welche die gemeinsame
Standplatte für das folgende Geschoss bildeten, auf denen die Teilung durch
eingeritzte Linien vorbereitet und durch die Witterungsspuren gekennzeichnet war.
Ueber einem quadratischen Sockel erhob sich bei gleicher Axteilung mittels Basis,
die aus doppelter Spira mit Trochilus dazwischen bestand, eine jonisch kannelierte
Säule von wahrscheinlich 3,45 Meter Höhe. Denn leider ist bis jetzt kein auch nur
annähernd vollständiges Kapital gefunden worden, nur kleine Fragmente; aber diese,
verglichen mit einem dreifach volutierten Pilaster-Kapitäl, legen den Schluss auf ein
jonisches Kapital sehr nahe. Interessant ist endlich das Gebälk, welches ein Gemisch
von verschiedenen Stilformen zeigt; ein zweifach faszierter Architrav mit Abakus und
Tropfenregula ist mit dem Triglyphon darüber aus einem Block gearbeitet, bei einer
Gesammthöhe von o.56o Meter. Auf jede Axe kommen hier 5 Triglyphen. Darauf
folgte ein Zahnschnittgeison mit Sima und Löwenmasken als Wasserspeiern. Auf der
Oberfläche sind Einsätze für die schräg ansteigenden Sparren; also im Gegensatz zu dem
unteren dorischen Geison ein Zeichen, dass hier der Bau nach oben hin beendet ist.

An die Unterteile der jonischen Säulenschäfte sind die Ansätze für Schranken
direkt angearbeitet, welche das Obergeschoss zwischen den Säulen nach aussen ab-
schlössen. Es sind hochkantig gestellte Platten, unten mit einem Profil gleich dem
der Säulenbasis, oben mit kleinem Kyma und Lysis abgedeckt. Dieselben waren auf
der dem Platze zugekehrten Seite mit reichem Relief geschmückt, und zwar stellte dieses
bei einer lichten Höhe von 0,87 Meter die mannigfaltigsten Waffen und Kriegsgeräte
dar; also liegt auch in diesem Trophäenschmuck ein direkter Hinweis auf die sieg-
bringende Stadtgöttin, auf die Athena Polias und Nikephoros. Innen war die Fläche
der Schranken glatt.

Die Aehnlichkeit dieses Aufbaues mit der grossen Halle, welche Attalos der
Zweite in Athen gestiftet hat1), springt sofort in die Augen, was uns nicht befremden
darf, da ja, wie wir sogleich sehen werden, der Stifter bei beiden Anlagen der-
selbe gewesen sein wird.

Es ist bisher nur von der Formengebung der Front gesprochen und die Bildung
der Rückseite der einzelnen Bauglieder unerwähnt gelassen worden; diese zeigt
durchweg dasselbe Princip. Nur der untere Architrav ist innen mit dreifacher Faszie,
Kyma und kleinem Abakus gebildet, ebenso auch der obere als schmales Band mit
leichter Krönung; im Uebrigen aber weisen sämmtliche Blöcke durch ihre rauhen
Innenflächen darauf hin, dass sie weder zur Ansicht bestimmt waren, noch dass sich
Marmor angeschlossen haben kann, sondern nur ein Holzgebälk. Es schliesst dieses
den Gedanken an einen im Innern konsequent durchgeführten Marmorbau vollständig
aus, wie solchen ja auch die bedeutenden Spannungen unmöglich erscheinen lassen,
denn die Tiefe der östlichen Halle von der Oberstufen-Vorderkante bis zur Rückwand
beträgt 5.47 Meter, ist also viel zu bedeutend für Marmor, wenn man die mobile
Belastung berücksichtigt.

Die nördliche Halle ist sogar doppelt so tief, 11,18 Meter; da auch Holz hierfür nicht
mehr ausreichen dürfte, so ist eine mittlere Stützenstellung eingeschoben worden; die
Fundierung derselben ist durchweg erhalten, westlich als Unterquadern, auf denen sich

J) F. Adler: Die Stoa des Königs Attalos II. zu Athen. Zeitschrift für Bauwesen 1875,
S. 17 fr. und Berliner Winkelmanns-Programm 1874, wozu ich aber namentlich bezüglich
der Konstruktion des Querschnitts demnächst einige Nachträge geben werde.
 
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