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Conze, Alexander ; Humann, Carl; Bohn, Richard
Die Ergebnisse der Ausgrabung zu Pergamon 1880-1881: Vorläufiger Bericht, in: Jahrbuch der Königlich-Preußischen Kunstsammlungen, 3.1882, S. 47-90 — Berlin, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.912#0042
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88 AUSGRABUNGEN ZU PERGAMON: DIE EINZELFUNDE

kleinen, stets nach Bedarf neu aufgelegten „Beschreibung der pergamenischen Bild-
werke"1) kurz erläutert.

Schon jetzt sind zur Aufstellung gelangt ausser denjenigen Fragmenten der
Gigantomachie, welche sich sofort an einen bestimmten Platz des Ganzen einfügen
Hessen, namentlich ein lebensgrosser weiblicher Kopf und drei Statuetten aus weissem
Marmor.

Der Kopf, welcher in dem Hauptgemache nördlich hinter der Halle gefunden
wurde (s. oben S. 57), ist so gut wie unverletzt, nur seiner metallenen Zierrate, Stirn-
binde und Ohrringe, deren Spuren deutlich sind, beraubt. Er zeigt ein streng vor-
wärts blickendes Antlitz, das Haar ist eigentümlicher Weise nach hinten frisiert in
einer Anordnung, welche die Herren Friedlaender und von Sallet an dem Nikekopfe
auf einer Münze von Metapont übereinstimmend nachgewiesen haben. Der Kopf
trägt, z. B. in der Augenbildung, deutlich die stilistischen Kennzeichen einer älteren
Epoche als die, welcher alle sonstigen pergamenischen Bildwerke frühestens angehören.
Man wird ihn im fünften Jahrhunderte v. Chr., oder, wenn später, mit eingehender Be-
nutzung eines Typus jener Zeit entstanden denken müssen. Dass man Muster älterer
Kunstschulen in Pergamon benutzte, werden wir noch weiter belegt finden.

Sodann die drei Statuetten, welche unweit des Burgthores gefunden sind (s. oben
S. 54). Sie stellen eine ruhig am Boden lagernde und zwei im Kampfe lebhaft bewegte
männliche Gestalten dar. Der eine Kämpfer erscheint durch die Löwenhaut, welche ihm
über den Kopf gezogen ist, als Herakles charakterisiert; er wird mit vorgestreckter
Rechten soeben seinen Bogen abgeschossen zu haben, trägt aber keinen Köcher. Die
detaillierte Durchführung dieser Figur geht auf der Rückseite weiter als auf der Vorder-
seite, so dass man an eine die Rückseite herauskehrende ursprüngliche Aufstellung zu
denken veranlasst wird. Der zweite Kämpfer ist ganz nackt, so weit erhalten waffenlos;
es fehlen aber ausser dem Kopfe namentlich die Hände. Er tritt mit dem rechten Fusse
hoch auf. Zu einer Erklärung fehlt jeder Anhalt. Ein grosses Dübelloch zeigt, dass
er mit der Rückseite, etwa vor einer Wand, mit Metall befestigt war. Bei dem ruhig
gelagerten Manne, ohne Kopf, dessen Unterkörper ein Himation umgiebt, ist wieder
ein Unterschied der Bearbeitung derart zu bemerken, dass die Rückseite die bevor-
zugte ist. Dass diese drei Figuren zu einem Ganzen gehörten, ist nicht zu bezweifeln,
am wenigsten bei den beiden kämpfenden. Naheliegend ist der gelagerten Figur
halber der Gedanke, dass sie Teile einer Giebelgruppe sein könnten; dabei würde
sich, so weit wir sehen, nur etwa der Giebel eines Propylaeenbaus, von dem Herr
Bohn wenigstens die Fundierungen in der Osthalle nachgewiesen hat, als Standplatz
bieten. Sonst stellt sich, da schon Humann die Erinnerung an die attalischen,
übrigens etwas grösseren Statuetten von der Burgmauer der athenischen Akropolis
angerufen hat, vielleicht die Frage ein, ob nicht auch diese Gruppe ähnlich wie jene,
etwa auf der den Athenabezirk nach Aussen abschliessenden Mauer gestanden haben
könnte, womit die angegebenen Eigentümlichkeiten ihrer Bearbeitung wohl verein-
bar wären. Es bleibt vor der Hand aber doch nur soviel als Ergebniss von solchem
Vermuten, dass wir noch vor einem Rätsel stehen. Die gute Erhaltung aller drei
Figuren steht, soweit nicht Teile von ihnen ganz verloren sind, auf einer Höhe mit
der trefflichen Ausführung.

') 4. Auflage ausgegeben am i5. Nov. 81. Verlag der Weidmannschen Buchhandlung
in Berlin.
 
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