Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Petersen, Eugen
Die Kunst des Pheidias am Parthenon und zu Olympia — Berlin, 1873

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.933#0069
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
61

sten und erhabensten, aber auch der niedrigsten und gemeinsten
Regungen, Gedanken, Thaten fähig waren, die Forderungen des sitt-
lichen Bewufstseins ebensowohl klar und klassisch ausgesprochen,
als oft verletzt werden; dafs die Gesetze nicht nur übertreten,
sondern auch aufgehoben werden von eben denen, die sie aufge-
stellt: statt so menschlicher Schwäche und menschlicher Freiheit
Rechnung zu tragen, will Bötticher, dafs das Gesetz absolut ge-
halten sei. In specieller Anwendung behauptet er, dafs, was 'rite
geheiligt sei, ewig unantastbar nicht nur habe sein sollen, son-
dern auch gewesen sei, dafs also das, was einmal angetastet sei,
nicht heilig gewesen sein könne, z. B. der Parthenon und das
Heraion, und dafs er wirklich eine so sonderbare Vorstellung von
den menschlichen Dingen hat, zeigt seine Bemerkung über das
Zeusbild zu Syrakus1), welches zu sichern die Priester, wie er
meint, keine Mafsregeln getroffen haben würden2), wenn es ein
heiliges Gultbild gewesen wäre, weil es dann durch seine Heilig-
keit gesichert gewesen wäre3). So kommt er dazu, dem 'rite Ge-
heiligten', oder 'mit der Hidrysis Belegten, — beides sind seine
Bezeichnungen — das für ewig profanem Gebrauch entzogen sei,
gegenüberstellt das Anathema, dessen Verbrauch rechtlich durch-
aus erlaubt gewesen. Aber diese Scheidung ist falsch; sie legt
der Heiligung eine übermenschliche, der Anathesis gar keine
Bedeutung bei und scheidet Heiliges und Anathema wie kein altes
Zeugnifs. Nach diesen ist vielmehr auch das Anathema heilig und
Eigenthum der Gottheit, wie Bötticher früher anerkannt hatte.



») Pb. 19, 68. Nach Paus. 10, 28, 3 respectierten die Feinde auch die

ctva^rjjxaia drin.

s) Strabo IX, 420 Inuj&ovos 3' S>» o nXovros dveqUaxTog tort xav Uqo( jj.

s) Auch hierüber hat Bötticher zu verschiedenen Zeiten Entgegengesetztes
behauptet. T. IV, 25 f. 'Anathema ist ein jeder Gegenstand überhaupt der
einem hierat. Zwecke gewidmet, durch Consecration ausschliefslich zu
Eigenthum eines Gottes gemacht, also der profanen Benützung entzogen
wird.' Ph. 19, 1 bildet das Anathetria das gerade Gegentheil des heilig ge-
machten, ewig gebundenen Gutes; ist das veräufserliche, bewegliche
Gut des Tempelschatzes. Auf S. 2 heifst es dann wieder bewegliches
Besitzthum der Gottheit und S. 34 heifst dasselbe 'unveräusserliches Eigen-
thum des Staatsschatzes.' Vgl. Ph. 18, 600. Umgekehrt macht er Ph. 19,
S. 29 auch die Culttempel wie den der Polias zu Staatseigenthum. Diese
wie* so manche Schwankung Böttichers ist offenbar durch die Rücksicht auf
seine Theorie bewirkt.
 
Annotationen