Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

Analoge Entwicklung

Aeschylischer Kompositionsweise nicht ebenso verwandt wie diejenige
von Polygnots Untergang Trojas, seiner Nekyia, seiner Marathons-
schlacht? Dass Pheidias auf der andern Seite auch schon dem So-
phokles. wie der Zeit nach, auch in seiner Konzeption näherstehen
konnte, wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Kommen wir aber noch einmal zu den Giebelgruppen des
Zeus-Tempels von Olympia, um doch auch ihr Verhältnis zu den
Parthenonsgiebeln, und beider zu Aeschylus und Sophokles vielleicht
noch etwas besser zu erfassen. Schon lange bemerkte man den
Gegensatz des Ost- und des Westgiebels von Olympia, die doch
kaum bloss aus der verschiedenen Art der beiden Schöpfer, Paionios
und Alkamenes — denn dass die Überlieferung 'erweislich falsch’ sei, ist
ja nicht wahr — zu erklären ist; vorn feierliche Ruhe und Würde
im ganzen Vorgang, von folgender Handlung nur eine Andeutung,
hinten dagegen wild tobender Kampf. Beides ist fast so reinlich
geschieden wie in der Tragödie die Vorgänge auf der Bühne und
ausserhalb des Schauplatzes, welche letztere dem Zuschauer nur
durch Erzählung kund werden. Ist der anwesende Gott, Apollon
mehr noch als Zeus, nicht dem Apollon der Eumeniden vergleichbar?
Stehen nicht, mehr noch, die so ruhig miteinander, wie im Gespräch,
verbundenen Paare Oenomaos und Sterope, Pelops und Hippodameia
ganz wie Personen auf der Bühne beieinander; umgeben von Neben-
figuren untergeordneter Art? Winter vergleicht den sitzenden 'Seher’
wegen seiner minder idealen Gesamterscheinung mit der alten Kilissa
in Aeschylus’ Grabesspenderinnen. Ganz richtig; nicht richtig aber
ist, dass 'solche Figuren innerhalb der auf reine harmonische Schön-
heit gestimmten Bilder als Dissonanzen gewirkt haben würden’.
Der Wächter in Sophokles’ Antigone beweist, dass jene Vorstellung
von Sophokleischer Kunst auch hier falsch ist, und es braucht nicht
zum erstenmal gesagt zu werden, dass so realistische Darstellung
von der idealen bildenden Kunst gradeso wie von der Bühnenkunst
wohl für die Grossen, aber nicht für die Kleinen, wohl für die Götter,
aber nicht für die Dämonen unpassend gehalten wurde. Ja, ist
Aias’ wilder Ingrimm und später sein Selbstmord, ist Ödipus mit
den ausgestochenen Augen, Ilaimons und Antigones Ende, Kreons
Zusammenbruch, Philoktets Krankheitsanfall, Herakles’ Aufdeckung-
seines vernichteten Körpers mit 'reiner harmonischer Schönheit’ ver-
träglich?
Blicken wir nun vom Werke des Paionios wieder auf Poly-
gnotisches, z. B. auf den 'polygnotischen’ Krater von Orvieto, so
zeigen auch dessen zwei Seiten einen ähnlichen Gegensatz von Ruhe
 
Annotationen