Aeschylus Polygnot
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und Bewegung wie die beiden Giebelgruppen von Olympia, und in
dem ruhigen Bilde, wie schon öfter anerkannt wurde, die grösste
Ähnlichkeit mit dem Pelops-Oenomaos-Bilde. Mit diesem bieten nun
weiter auf der einen Seite die Aeschylischen Bühnenbilder, auf der
andern die Polygnotischen Gemälde in der Delphischen Lesche die
vielfachsten Vergleichspunkte. Die Aeschylischen Personen bewahren
einander gegenüber durchweg eine feierlich ruhige Haltung, so noch
Agamemnon und Klytämestra, Orest selbst Elektra und Klytämestren
gegenüber: die Erkennung der Geschwister ist nur eine rasch ge-
dämpfte und in Schranken gehaltene Aufwallung; ebenso Klytämestras
Entblössen der Mutterbrust nur ein vergeblich angewandtes Rühr-
mittel. Selbst Kassandras Ekstase und los Wahnsinn halten sich
in engen Grenzen. Nur Nebenfiguren wie die weinende Kilissa,
der jubelnde Wächter auf dem Dach und besonders die jugendlichen
Chorpersonen, Danaostöchter, tbebische Mädchen, Oklaniden be-
wegen sich freier. Die beiden genannten grossen Wandgemälde
Polygnots setzen sich aus einer Menge grösserer und kleinerer Gruppen
zusammen. Die meisten von ihnen bestehen aus ruhig nebeneinander
stehenden, sitzenden oder gelagerten Figuren. Denke man doch
nur gleich an die Mittelgruppe des Trojabildes: der Fürsten Gericht
über Aias’ Frevel an Kassandra und dem Athenabilde, das die Mitte
einnahm. Die Mannigfaltigkeit der körperlichen Motive ist natürlich
grösser als der Bühnenvorgang vorderhand wenigstens zulässt. Doch
•vergessen wir nicht, dass Atossa, Agamemnon längere Zeit sitzend
sprechen; so auch Orest in den Eumeniden, Orest, Elektra auf dem
Grabe. Auch hat gerade Aeschylus diese Ruhe seiner Personen durch
eine Menge äusserlicher Zwischenmotive zu beleben versucht, deren
gleichen bei Polygnot natürlich noch häufiger sind: die Anschmiedung
des Prometheus, Atossas erstes Auftreten, die Rüstung des Eteokles,
das Opfern Klytämestras, Atossas, das Hinlegen und Wegtragen
der Zweige der Schutzflehenden, das Teppichbreiten und Schuhelösen
im Agamemnon — bei Polygnot lässt Helena sich die Schuhe binden.
Anders Sophokles, anders auch die Giebel des Parthenons. In
letzteren sind nicht, wie am Zeus-Tempel, Ruhe und Bewegung auf
die beiden Giebel verteilt, sondern in jedem von ihnen ist beides
gegeben, im Ostgiebel eine vom Mittelpunkte wie ein plötzliches
Licht aus'strahlende Bewegung, die sich rasch nach den Enden hin
verbreitet; im Westgiebel gegensätzliche Bewegung links und rechts.
Beidemal eine Bewegung ganz anderer Art als sie dort in Olympia
im Ostgiebel sich verbreitete, im Westgiebel in vollem Gange war:
nicht körperliches Ringen mit todbringenden Waffen, sondern geistige,
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und Bewegung wie die beiden Giebelgruppen von Olympia, und in
dem ruhigen Bilde, wie schon öfter anerkannt wurde, die grösste
Ähnlichkeit mit dem Pelops-Oenomaos-Bilde. Mit diesem bieten nun
weiter auf der einen Seite die Aeschylischen Bühnenbilder, auf der
andern die Polygnotischen Gemälde in der Delphischen Lesche die
vielfachsten Vergleichspunkte. Die Aeschylischen Personen bewahren
einander gegenüber durchweg eine feierlich ruhige Haltung, so noch
Agamemnon und Klytämestra, Orest selbst Elektra und Klytämestren
gegenüber: die Erkennung der Geschwister ist nur eine rasch ge-
dämpfte und in Schranken gehaltene Aufwallung; ebenso Klytämestras
Entblössen der Mutterbrust nur ein vergeblich angewandtes Rühr-
mittel. Selbst Kassandras Ekstase und los Wahnsinn halten sich
in engen Grenzen. Nur Nebenfiguren wie die weinende Kilissa,
der jubelnde Wächter auf dem Dach und besonders die jugendlichen
Chorpersonen, Danaostöchter, tbebische Mädchen, Oklaniden be-
wegen sich freier. Die beiden genannten grossen Wandgemälde
Polygnots setzen sich aus einer Menge grösserer und kleinerer Gruppen
zusammen. Die meisten von ihnen bestehen aus ruhig nebeneinander
stehenden, sitzenden oder gelagerten Figuren. Denke man doch
nur gleich an die Mittelgruppe des Trojabildes: der Fürsten Gericht
über Aias’ Frevel an Kassandra und dem Athenabilde, das die Mitte
einnahm. Die Mannigfaltigkeit der körperlichen Motive ist natürlich
grösser als der Bühnenvorgang vorderhand wenigstens zulässt. Doch
•vergessen wir nicht, dass Atossa, Agamemnon längere Zeit sitzend
sprechen; so auch Orest in den Eumeniden, Orest, Elektra auf dem
Grabe. Auch hat gerade Aeschylus diese Ruhe seiner Personen durch
eine Menge äusserlicher Zwischenmotive zu beleben versucht, deren
gleichen bei Polygnot natürlich noch häufiger sind: die Anschmiedung
des Prometheus, Atossas erstes Auftreten, die Rüstung des Eteokles,
das Opfern Klytämestras, Atossas, das Hinlegen und Wegtragen
der Zweige der Schutzflehenden, das Teppichbreiten und Schuhelösen
im Agamemnon — bei Polygnot lässt Helena sich die Schuhe binden.
Anders Sophokles, anders auch die Giebel des Parthenons. In
letzteren sind nicht, wie am Zeus-Tempel, Ruhe und Bewegung auf
die beiden Giebel verteilt, sondern in jedem von ihnen ist beides
gegeben, im Ostgiebel eine vom Mittelpunkte wie ein plötzliches
Licht aus'strahlende Bewegung, die sich rasch nach den Enden hin
verbreitet; im Westgiebel gegensätzliche Bewegung links und rechts.
Beidemal eine Bewegung ganz anderer Art als sie dort in Olympia
im Ostgiebel sich verbreitete, im Westgiebel in vollem Gange war:
nicht körperliches Ringen mit todbringenden Waffen, sondern geistige,