Athen nimmt Ödipus auf; Thebens Gegenwirkung
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Ihr vereintes Widerstreben ist schwerer zu besiegen als vorher des
Einzelnen, doch gestatten sie ihm endlich, am Rande der Erhebung
sich niederzulassen, bis sie seinen Namen -erfahren und nun, ent-
setzt, dem Fluchbeladenen ihr Wort nicht halten wollen. Erst
Antigones rührendem Flehen und Ödipus Appell an Athens Frömmig-
keit geben sie soweit nach, dass nun dem König die Entscheidung
anheimgestellt werden soll.
Indem kommt auf einem Maultier Ismene geritten. Nicht
allein die rührende Liebe der Schwestern zu einander und beider
zum Vater, im Gegensatz zu den Brüdern, wollte der Dichter hier
anschaulich machen, sondern von ihr soll Ödipus, sollen die Zu-
schauer von der Entwickelung der Dinge in Theben, vom Verhalten
der Brüder Näheres vernehmen: ihren Streit, Polyneikes Flucht
nach Argos, seine Vorbereitung des Rachezuges, dazu das Orakel,
das die Person des Ödipus, lebend oder tot, für ein Unterpfand
des Sieges erkläre, weshalb Kreon baldigst kommen werde, Ödipus
heimzuholen. Punkt für Punkt erfragt der Alte von Ismene, dass
Theben nur die eigene Sicherheit, die Söhne nur ihren Vorteil im
Auge haben, keiner von Liebe zu ihm bewegt werde. Da flucht er
den Söhnen und erklärt, sich nicht Theben, sondern Athen, wenn
. es seiner sich annehme, weihen zu wollen.
Die Chorgreise, die ja dem Könige die Entscheidung anheim-
gaben, können ihr Wohlwollen nur bezeugen, indem sie, in frommem
Sinn, dem Fremden raten, den Eumeniden ein Sühnopfer zu bringen.
Ismene besorgt es für den Vater, während dieser der Neugier der
Alten Rede stehen muss, bis Theseus kommt, Ödipus Verheissungen
anhört und diesem nun endlich Schutz und Aufnahme zugesichert
wird. Einen Vorschmack des seligen Friedens, der dem Viel-
geprüften in seiner neuen Heimat und Ruhestätte zuteil werden soll,
gibt der Lobgesang, den die Alten von Kolonos vor dem Zu-
gewanderten zum Preise Athens anstimmen. Kaum aber ist das
Lied verklungen, so sieht sich Ödipus durch Kreons Erscheinen in
den schon angekündeten Streit hineingezogen. Zuerst mit gleissen-
den Worten -—■ wir erfahren nachher, dass er Ismenen bereits er-
griffen hat — sucht ihn jener für Theben zu gewinnen; dann, von
Ödipus entlarvt, braucht er Gewalt, lässt Antigone greifen, wie er
Ismenes schon sich bemächtigt hat. Was der Bogen für Philoktet,
sein Ein und Alles, war Antigone für den Vater, und wie Odysseus
mit Neoptolemos, der den Bogen in Händen hat, abzugehen sich
stellt und Philoktet höhnend zu bleiben heisst, so Kreon 848 ff.
Ödipus, dem er die Tochter entführt. Ernst ist ihm das so wenig
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Ihr vereintes Widerstreben ist schwerer zu besiegen als vorher des
Einzelnen, doch gestatten sie ihm endlich, am Rande der Erhebung
sich niederzulassen, bis sie seinen Namen -erfahren und nun, ent-
setzt, dem Fluchbeladenen ihr Wort nicht halten wollen. Erst
Antigones rührendem Flehen und Ödipus Appell an Athens Frömmig-
keit geben sie soweit nach, dass nun dem König die Entscheidung
anheimgestellt werden soll.
Indem kommt auf einem Maultier Ismene geritten. Nicht
allein die rührende Liebe der Schwestern zu einander und beider
zum Vater, im Gegensatz zu den Brüdern, wollte der Dichter hier
anschaulich machen, sondern von ihr soll Ödipus, sollen die Zu-
schauer von der Entwickelung der Dinge in Theben, vom Verhalten
der Brüder Näheres vernehmen: ihren Streit, Polyneikes Flucht
nach Argos, seine Vorbereitung des Rachezuges, dazu das Orakel,
das die Person des Ödipus, lebend oder tot, für ein Unterpfand
des Sieges erkläre, weshalb Kreon baldigst kommen werde, Ödipus
heimzuholen. Punkt für Punkt erfragt der Alte von Ismene, dass
Theben nur die eigene Sicherheit, die Söhne nur ihren Vorteil im
Auge haben, keiner von Liebe zu ihm bewegt werde. Da flucht er
den Söhnen und erklärt, sich nicht Theben, sondern Athen, wenn
. es seiner sich annehme, weihen zu wollen.
Die Chorgreise, die ja dem Könige die Entscheidung anheim-
gaben, können ihr Wohlwollen nur bezeugen, indem sie, in frommem
Sinn, dem Fremden raten, den Eumeniden ein Sühnopfer zu bringen.
Ismene besorgt es für den Vater, während dieser der Neugier der
Alten Rede stehen muss, bis Theseus kommt, Ödipus Verheissungen
anhört und diesem nun endlich Schutz und Aufnahme zugesichert
wird. Einen Vorschmack des seligen Friedens, der dem Viel-
geprüften in seiner neuen Heimat und Ruhestätte zuteil werden soll,
gibt der Lobgesang, den die Alten von Kolonos vor dem Zu-
gewanderten zum Preise Athens anstimmen. Kaum aber ist das
Lied verklungen, so sieht sich Ödipus durch Kreons Erscheinen in
den schon angekündeten Streit hineingezogen. Zuerst mit gleissen-
den Worten -—■ wir erfahren nachher, dass er Ismenen bereits er-
griffen hat — sucht ihn jener für Theben zu gewinnen; dann, von
Ödipus entlarvt, braucht er Gewalt, lässt Antigone greifen, wie er
Ismenes schon sich bemächtigt hat. Was der Bogen für Philoktet,
sein Ein und Alles, war Antigone für den Vater, und wie Odysseus
mit Neoptolemos, der den Bogen in Händen hat, abzugehen sich
stellt und Philoktet höhnend zu bleiben heisst, so Kreon 848 ff.
Ödipus, dem er die Tochter entführt. Ernst ist ihm das so wenig