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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0083
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-78 -

Bei dieser Volksbezeichnung handelt sich sicherlich um ein nichtägyptisches Wort. Die oft vertretene etymolo-
gische Ableitung von ägyptisch nbw > NO'ö'ß “Gold” ist kaum richtig: Ein Appellativum kann nicht ohne weitere
morphologische Markierung einfach als Land- oder Volksbegriff verwendet werden, und eine Nisbenbildung
nbw.j, die rein lautlich einem No-oß-(ai) etc. vielleicht zugrundeliegen könnte, ist in der Spätzeit nicht mehr
produktiv bildbar.
Zwischen dem Meroitischen und dem Altnubischen besteht insoweit eine Kontinuität, als zwei Buchstaben des
altnubischen Alphabets aus dem Meroitischen stammen (Griffith 1913: 73; Khaul 1988: n3f.)S8. Noch mehr
solcher aus dem Meroitischen abgeleiteten Buchstaben gibt es vielleicht im sogenannten “Südnubischen”, einer
Dialektvariante des Altnubischen, in der einige schwer verständliche Graffiti aus der Gegend um Meroe und
Soba überliefert sind (vgl. Zyhlarz 1928: 190).
Es lassen sich etymologische Gleichungen zwischen dem Meroitischen und dem Nubischen aufstellen, hierzu das
folgende Kapitel.

6.12.6 Meroitisch und Nubisch: Lexikalische Gleichungen

Hofmann (1981a: 348L) gibt eine Liste von 29 meroitischen Lexemen, deren Bedeutung ihrer Einschätzung nach
“halbwegs gesichert ist” (offensichtliche ägyptische Entlehnungen sind darin noch nicht enthalten).S9 Wenn wir uns
erst einmal auf diese beschränken, so konnten bisher acht von ihnen einigermaßen schlüssig mit dem Nubischen
verbunden werden. Keine dieser Gleichungen stammt erst von mir, denn zumindest im Nachhinein konnte ich sie alle
schon in der Literatur erwähnt finden. Als neu dürfen dagegen die von mir aus ihnen abstrahierten Lautgesetze gelten
(CS5 § 6.2.7). Hier nun die Gleichungen:

w

(»)

Schon Griffith (1911: 23) verglich meroitisch ato “Wasser” mit altnubisch €CCI, neunubisch: essi (Nilnubisch),
otil oto etc. (Bergnubisch), aac't (Midob [Darfurnubisch]).6° Die meroitische Schreibung ist wohl mit Hofmann
(1990: 58) als /astu/ zu interpretieren, da aox- als Element mehrerer “äthiopischer” Flussnamen bei den klassi-
schen Autoren auftritt und dazu bei Plinius, Hist. nat. V, 53 (10) explizit als aqua glossiert wird (SchXfer 1895b:
g). Dieses Wort dürfte auch in dem Ortsnamen Jsd-rs in N 7 enthalten sein, der mit Wasserdeterminativ als
q| t°: “(jjj geschrieben wird; eine vergleichbare Schreibung ist schon bei dem afrikanischen Toponym Jst-dgr
aus dem Neuen Reich belegt (Esf § 20 s.v. Jsdrs). Diese meroitisch-nubische Etymologie wird, wie ich denke
unbegründet, von Bechhaus-Gerst (1989: 105) zurückgewiesen.
Bechhaus-Gerst (1989: 109) vergleicht den als Kandake bekannten meroitischen Titel “Königsmutter”61 (ge-
schrieben kdke, griechisch Kav8aicr| transkribiert, siehe Wenig 1967: 36f.) mit altnubisch TONNCN ijonnen “Queen
Mother” (Browne 1996: 2o3) > nobiin noono “die große Mutter” (Form nach Bechhaus-Gerst, keine Tonangaben
verfügbar), sieht hier jedoch eine Entlehnung. Um kandake mit rONNGN zu verbinden, möchte ich als eigentliche
Lesung kandakerj, annehmen, denn wortauslautende Konsonanten werden in der meroitischen Schrift nicht reprä-
sentiert. Von den Griechen könnte dieses -n als Kasusendung des Akkusativs reinterpretiert und deglutiniert
worden sein. Das Wort ist wenige Male auch in ägyptischen Hieroglyphen belegt, leider stets mit unsicheren Le-
sungen (Zach 1992); die bei Zach (1002: 206) abgebildete Schreibung ist jedoch wohl als f
aufzufassen (kaum mit Zach als


(3)


H

knrkn
. '—'-'—A
), was meinen Ansatz als kandaken stützt.
Bechhaus-Gerst (1984/5: 94) vergleicht meroitisch qore “König” mit nobiin noor (Form nach Werner 1987: 370)
“Herr, Gott”, dem im Altnubischen TOA- rjod- entspricht (Browne 1996: 20if.). Dieses Wort tritt seit der 20.
Dynastie auch mehrfach als Fremdwort im Ägyptischen und Demotischen in der Form kwr auf (Sauneron &
Yoyotte 1952: 183-187, Priese 1968: 188-191, Erichsen 1954: 561).

58 Der altnubische Buchstabe T /ij/ ist aber kaum, wie dort vermutet, aus dem auch formal recht verschiedenen
meroitischen Buchstaben <n>, sondern vielmehr mit Hilfe eines diakritischen Striches aus dem koptischen C /g/
abgeleitet.
59 Daneben gibt es noch weit mehr meroitische Lexeme, über deren Bedeutung schon einmal eine Hypothese
geäußert wurde; sie sind bei Meeks (1978: 19L) bibliographisch erschlossen.
60 Die altnubische Form aus Browne (1996: 61); die neunubischen Formen aus Bechhaus-Gerst (1984/5: 70), wo
noch mehr Varianten erwähnt werden, die Midob-Form aus Werner (1998: 140). Die Form essi kommt vor allem
in den nicht-Nobiin-Dialekten des Nilnubischen vor. Im Nobiin ist das Wort heute veraltet und wird meist nur in
noch Komposita sowie in der Bedeutung “Suppe” verwendet (Bechhaus-Gerst 1984/5: 90b, Khalil 1996: 43).
Für das Wort “Träne” nennt Werner (1987: 366) die wegen ihrer Tonangaben wertvolle Form maanyessi
(maany = “Auge”, also “Augenwasser”).
61 So die traditionelle Auffassung; nach Hofmann (1981c: 34) weniger spezifisch ein “Titel der neben dem Herr-
scher auftretenden Frau”.
 
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