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Einem altnubischen jj bzw. einem /n/ des Nobiin entspricht im darfurnubischen Midob häufig ein /k/ (vgl.
Bechhaus-Gerst ±984/5: 3o und D3P unten). Unter Berücksichtigung dieser Lautentsprechung lässt sich mit
Bechhaus-Gerst (1984/5: 59) zu unserem Wort auch midob koore “groß, alt” (Werner 1998: 101; vgl. auch
Arkell 1955) stellen, womit das Midob in diesem Punkt noch den meroitischen Lautstand bewahrt hätte. Man
kann dann weiter schlussfolgern, dass der meroitische Königstitel ursprünglich vermutlich nichts weiter als eine
substantivierte Verwendung des Adjektivs “groß” gewesen ist. Dies erinnert nun deutlich an die Verhältnisse im
Agyptischen, wo wr ebenfalls sowohl “groß” wie auch “Fürst, Herrscher (eines Fremdlandes)” bedeutet. Mögli-
cherweise beruht die Umfunktionalisierung eines ursprünglichen nubischen Adjektivs für “groß” zu einem Herr-
schertitel letztlich auf einer Lehnübersetzung aus dem Agyptischen (vgl. aber auch sumerisch lugal “König” <
lu “Mann” + gal “groß”).
(4) Meroitisch kadi “Frau” wurde mit nobiin kärree (Form nach Werner 1987: 36±) “weiblich” verglichen (zitiert
bei Hintze ±989: ±02); eine altnubische Entsprechung ist nicht bekannt. Hierher gehört sicherlich auch midob
(Darfurnubisch) iddi “Frau” (Form nach Werner ±993: 92), denn einem /k/ des Nilnubischen entspricht im
Midob regelmäßig 0.6a
(5) Ein häufig belegtes meroitisches Wort ist erike et var., das von der 25. Dynastie an in zahlreichen ägyptisch
geschriebenen nubischen Personennamen als jrk u.ä. sowie in griechischer Transkription als epy (in Epy-apeviy;)
vorkommt und als “erzeugen” gedeutet wird (113? Diskussion zu dem Namen Jrg[..]t in § 20). Obgleich Hofmann
(1981a: 348L) dieses Wort nicht in ihre Liste der erschlossenen meroitischen Lexeme aufnimmt, scheint mir die
angenommene Bedeutung vergleichsweise plausibel. Hier ist eine Verbindung mit altnubisch d.p<\K- “to bear”
(ein hapax legomenon, als Übersetzung des griechischen tikteiv), neunubisch (nicht im Nobiin) ark, arik “wer-
fen, Eier legen” (Browne 1996: 18) naheliegend. Diese Gleichung ist nicht allgemein bekannt; ich habe sie nur
als angedeutete Möglichkeit an einer recht unerwarteten Stelle angetroffen, nämlich in einer frühen Reaktion
des vielseitigen Romanisten Hugo Schuchardt, der sich auch mit dem Nubischen beschäftigte, auf die Griffith
damals gerade gelungene Entzifferung der meroitischen Schrift (Schuchardt 1918: 170).
(6-8) Schließlich möchte ich den Blick noch auf drei meroitisch-nubische Etymologien lenken, die bislang ebenfalls
so gut wie nicht gesehen worden sind (nur Khalil 1996 führt in seinem Nobiin-Wörterbuch die betreffenden
meroitischen Formen eingeleitet durch “vgl.” mit auf). Griffith (1911/12: II, iaf. und 3i) fand in den Tempeln
von Naqa und Amara auf vier Seiten beschriebene Säulen, deren Text sich auf den vier Seiten im wesentlichen
in nur einem Wort unterscheidet. Diese Wörter interpretierte er als Bezeichnungen für die Himmelsrichtungen;
dabei sind die Himmelsrichtungen offensichtlich nicht astronomisch, sondern nach dem Nilverlauf definiert,
denn es steht z.B. dasselbe Wort (von Griffith als “Norden” gefasst) in Naqa auf der astronomischen Nordseite,
die hier auch etwa der Flussrichtung des Nils entspricht, in Amara dagegen auf der astronomischen Ostseite, da
der Nil hier fast genau nach Osten fließt. Diese Himmelsrichtungsbezeichnungen hat Hofmann (1981a: 348L)
unter die einigermaßen gesicherten meroitischen Wörter aufgenommen.
Aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen geht nicht unmittelbar hervor, ob die Himmelsrichtungsbezeich-
nungen im Nubischen astronomisch oder nach dem Nilverlauf verwendet werden. Immerhin stellte George A.
Reisner bei seinen Grabungen im Sudan fest, dass die lokale Bevölkerung das letztere Prinzip anwandte, worauf-
hin er es auch selber für seine Grabungspublikationen übernahm (vgl. Reisner 1917: Anm. 2 auf S. 2i3 und
Dunham 1970: XIX). Die folgende Tabelle nennt die Termini für die vier Himmelsrichtungen im Meroitischen
und Nubischen im Uberblick:
N 0 r d e n
0 s t e n
S ü d e n
W e s t e n
meroitisch
hr /bara/
yirewke /yirewake/
yireqe /yireqe/
teneke /teneke/
altnub. nach Browne (1996)
KdvNO- ~ KdvNNC-
A&UJd^OCK-; AivTTO-
opo- ~op(ü- ~ op(p)e-
TINO-
Nobiin nach Werner (1987)
kalo
-
oro
—
Nobiin nach Khalil (1996)
kalo/e
mato
oro
tino
Abgesehen von den Wörtern für “Osten”, von denen A&.UJ&NOCK- “Osten” eine semantisch teilweise noch trans-
parente Neubildung ist (“Sonnenaufgang” o.ä., vgl. altnubisch AödJJ<\A- “Sonne”), scheinen mir die übrigen drei
nubischen Begriffe für Himmelsrichtungen genügend nahe an den meroitischen Formen zu stehen, dass man eine
direkte Verwandtschaft annehmen kann. Für “Norden” lässt sich dazu noch die Form hri(i) des Midob anführen^.
62 Das Lautgesetz nach Bechhaus-Gerst (1984/5: 3i), die aber diese spezielle Gleichung nicht anführt; weitere
Belege für die Lautentsprechung bei Werner (1993: 2if.); CS? auch unten.
63 Form aus Werner (1993: 142); für die Entsprechung Midob 0 - Nobiin /k/ KäP unten; die Begriffe für alle ande-
ren Himmelsrichtungen hat das Midob aus dem Arabischen entlehnt.
Einem altnubischen jj bzw. einem /n/ des Nobiin entspricht im darfurnubischen Midob häufig ein /k/ (vgl.
Bechhaus-Gerst ±984/5: 3o und D3P unten). Unter Berücksichtigung dieser Lautentsprechung lässt sich mit
Bechhaus-Gerst (1984/5: 59) zu unserem Wort auch midob koore “groß, alt” (Werner 1998: 101; vgl. auch
Arkell 1955) stellen, womit das Midob in diesem Punkt noch den meroitischen Lautstand bewahrt hätte. Man
kann dann weiter schlussfolgern, dass der meroitische Königstitel ursprünglich vermutlich nichts weiter als eine
substantivierte Verwendung des Adjektivs “groß” gewesen ist. Dies erinnert nun deutlich an die Verhältnisse im
Agyptischen, wo wr ebenfalls sowohl “groß” wie auch “Fürst, Herrscher (eines Fremdlandes)” bedeutet. Mögli-
cherweise beruht die Umfunktionalisierung eines ursprünglichen nubischen Adjektivs für “groß” zu einem Herr-
schertitel letztlich auf einer Lehnübersetzung aus dem Agyptischen (vgl. aber auch sumerisch lugal “König” <
lu “Mann” + gal “groß”).
(4) Meroitisch kadi “Frau” wurde mit nobiin kärree (Form nach Werner 1987: 36±) “weiblich” verglichen (zitiert
bei Hintze ±989: ±02); eine altnubische Entsprechung ist nicht bekannt. Hierher gehört sicherlich auch midob
(Darfurnubisch) iddi “Frau” (Form nach Werner ±993: 92), denn einem /k/ des Nilnubischen entspricht im
Midob regelmäßig 0.6a
(5) Ein häufig belegtes meroitisches Wort ist erike et var., das von der 25. Dynastie an in zahlreichen ägyptisch
geschriebenen nubischen Personennamen als jrk u.ä. sowie in griechischer Transkription als epy (in Epy-apeviy;)
vorkommt und als “erzeugen” gedeutet wird (113? Diskussion zu dem Namen Jrg[..]t in § 20). Obgleich Hofmann
(1981a: 348L) dieses Wort nicht in ihre Liste der erschlossenen meroitischen Lexeme aufnimmt, scheint mir die
angenommene Bedeutung vergleichsweise plausibel. Hier ist eine Verbindung mit altnubisch d.p<\K- “to bear”
(ein hapax legomenon, als Übersetzung des griechischen tikteiv), neunubisch (nicht im Nobiin) ark, arik “wer-
fen, Eier legen” (Browne 1996: 18) naheliegend. Diese Gleichung ist nicht allgemein bekannt; ich habe sie nur
als angedeutete Möglichkeit an einer recht unerwarteten Stelle angetroffen, nämlich in einer frühen Reaktion
des vielseitigen Romanisten Hugo Schuchardt, der sich auch mit dem Nubischen beschäftigte, auf die Griffith
damals gerade gelungene Entzifferung der meroitischen Schrift (Schuchardt 1918: 170).
(6-8) Schließlich möchte ich den Blick noch auf drei meroitisch-nubische Etymologien lenken, die bislang ebenfalls
so gut wie nicht gesehen worden sind (nur Khalil 1996 führt in seinem Nobiin-Wörterbuch die betreffenden
meroitischen Formen eingeleitet durch “vgl.” mit auf). Griffith (1911/12: II, iaf. und 3i) fand in den Tempeln
von Naqa und Amara auf vier Seiten beschriebene Säulen, deren Text sich auf den vier Seiten im wesentlichen
in nur einem Wort unterscheidet. Diese Wörter interpretierte er als Bezeichnungen für die Himmelsrichtungen;
dabei sind die Himmelsrichtungen offensichtlich nicht astronomisch, sondern nach dem Nilverlauf definiert,
denn es steht z.B. dasselbe Wort (von Griffith als “Norden” gefasst) in Naqa auf der astronomischen Nordseite,
die hier auch etwa der Flussrichtung des Nils entspricht, in Amara dagegen auf der astronomischen Ostseite, da
der Nil hier fast genau nach Osten fließt. Diese Himmelsrichtungsbezeichnungen hat Hofmann (1981a: 348L)
unter die einigermaßen gesicherten meroitischen Wörter aufgenommen.
Aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen geht nicht unmittelbar hervor, ob die Himmelsrichtungsbezeich-
nungen im Nubischen astronomisch oder nach dem Nilverlauf verwendet werden. Immerhin stellte George A.
Reisner bei seinen Grabungen im Sudan fest, dass die lokale Bevölkerung das letztere Prinzip anwandte, worauf-
hin er es auch selber für seine Grabungspublikationen übernahm (vgl. Reisner 1917: Anm. 2 auf S. 2i3 und
Dunham 1970: XIX). Die folgende Tabelle nennt die Termini für die vier Himmelsrichtungen im Meroitischen
und Nubischen im Uberblick:
N 0 r d e n
0 s t e n
S ü d e n
W e s t e n
meroitisch
hr /bara/
yirewke /yirewake/
yireqe /yireqe/
teneke /teneke/
altnub. nach Browne (1996)
KdvNO- ~ KdvNNC-
A&UJd^OCK-; AivTTO-
opo- ~op(ü- ~ op(p)e-
TINO-
Nobiin nach Werner (1987)
kalo
-
oro
—
Nobiin nach Khalil (1996)
kalo/e
mato
oro
tino
Abgesehen von den Wörtern für “Osten”, von denen A&.UJ&NOCK- “Osten” eine semantisch teilweise noch trans-
parente Neubildung ist (“Sonnenaufgang” o.ä., vgl. altnubisch AödJJ<\A- “Sonne”), scheinen mir die übrigen drei
nubischen Begriffe für Himmelsrichtungen genügend nahe an den meroitischen Formen zu stehen, dass man eine
direkte Verwandtschaft annehmen kann. Für “Norden” lässt sich dazu noch die Form hri(i) des Midob anführen^.
62 Das Lautgesetz nach Bechhaus-Gerst (1984/5: 3i), die aber diese spezielle Gleichung nicht anführt; weitere
Belege für die Lautentsprechung bei Werner (1993: 2if.); CS? auch unten.
63 Form aus Werner (1993: 142); für die Entsprechung Midob 0 - Nobiin /k/ KäP unten; die Begriffe für alle ande-
ren Himmelsrichtungen hat das Midob aus dem Arabischen entlehnt.