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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0236

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Resume: Das napatanische Phonemsystem unterscheidet sich vermutlich nicht wesentlich von dem, was man auch
etwa für das Demotische anzusetzen hat. Der einzige klar erkennbare spezifisch napatanische Zug besteht darin, dass
die Opposition zwischen /s/ und /[/ (womöglich auch diejenige zwischen /t/ und /c/, was jedoch viel unsicherer ist) in
bestimmten Umgebungen aufgehoben war.

22 Substantiv und Adjektiv
22.1 Vorbemerkungen zur Nominalmorphologie des Jüngeren Ägyptisch
Die für die Nominalmorphologie relevanten grammatischen Kategorien sind im Ägyptischen Numerus, Genus und Sta-
tus. Die Erkennbarkeit dieser Kategorien ist im Jüngeren Ägyptisch aufgrund graphischer Probleme allerdings stark
erschwert. Aus diesem Grunde bestehen bislang für das Neuägyptische und Demotische über recht elementare Fragen
keine klaren Vorstellungen, etwa darüber, wieviele Numeri überhaupt existieren (Frage des Duals), darüber, wie auf
der phonemsprachlichen Ebene der Plural gebildet wird, oder darüber, inwieweit Adjektive mit ihrem Bezugsnomen
kongruieren (vgl. etwa Spiegelberg 1925: § 70F; Erman ±933: § 143-156, § 216-219; Cerny & Groll 1993: § 5.2). Die
Lage ist die, dass sowohl Numerus als auch Genus von Substantiven und Adjektiven sich zumindest beim bisherigen
Stand der Kenntnis im Schriftbild in der Regel nicht klar identifizieren lassen, während sie sowohl in den älteren
Sprachstufen als auch zumindest bei einem Teil der Lexeme noch im Koptischen eindeutig unterschieden sind. Die
Kategorie des Status ist überhaupt nur im Koptischen deutlich erkennbar.
Dieselben Unsicherheiten in der Nominalmorphologie bestehen auch für das Napatanische. Detaillierte Untersuchun-
gen hierzu sollten im Idealfall zunächst nicht für das Napatanisehe, sondem für kontemporäre, aber besser bekannte
Stadien des Ägyptischen (etwa das Demotische) angestellt werden.

22.2 Genus
22.2.1 Vorbemerkungen
Im Ägyptischen treten Substantive in zwei grammatischen Geschlechtern auf. Diese sind im Jüngeren Ägyptisch am
Substantiv selbst in der Regel nicht formal markiert. Man kann die Genera jedoch sowohl anhand der pronominalen
Resumption identifizieren als auch anhand der Kongruenz solcher Attribute, die das Genus eindeutig bezeichnen (z.B.
Artikel, Demonstrativpronomina). Schon früh ist aufgefallen, dass das Napatanische in diesem Bereich Besonderhei-
ten zeigt. Doch wurde daraus der Schluss gezogen, dass in der Grammatik schlicht ein Chaos herrsche:
“(...) the Ethiopians had lost the notion of gender as well as that of number” (Maspero 1875: 223)
“Da der Verfasser OTT und 'j beständig durcheinander wirft und, wenigstens nicht mit Bewusstsein, den
Unterschied zwischen Femininum und Masculinum nicht kennt (...)” (SchXfer 1901: 66)
“Eine der auffallendsten Eigentümlichkeiten unserer Inschrift ist die, dass es dem Verfasser völlig un-
möglich ist, die Genera auseinander zu halten.” (Schäfer 1901: 75)
Zyhlarz versucht einen Erklärungsansatz, der allerdings verfehlt ist:
“(...) so ist in der Steleninschrift konsequent das grammatische ‘Geschlecht’ des Kaschitischen, nämlich
superior : inferior wert-klassenmässig durchgeführt, u.zw. durchwegs in den possessiven Pronominalien.
Die ägyptischen ‘Artikel’ sind dem Kaschitenkönig völlig gleichgiltig, ob ‘maskulin’ oder ‘feminin’; sie
gehörten eben zum ägyptischen Vokabel, sonst zu nichts.” (Zyhlarz 1961: Anm. 6 auf S. 23i)
“Da die B’este [= Bastet, C.Peust] eine Göttin ist, so musste sie für den Kaschiten natürlich maskulin
konstruiert werden.” (Zyhlarz 1961: 241 zu N 3a)
Die Abweichungen des Napatanischen vom sonstigen Ägyptischen im Hinblick auf das nominale Genus fallen in zwei
verschiedene Bereiche. Zum einen besteht die Genusunterscheidung nur noch bei belebten Wesen. Hier liegt eine
Verschiebung des Geltungsbereiches des Genus als grammatischer Kategorie vor. Zum anderen
zeigen nominale Attribute grundsätzlich keine Genuskongruenz mehr, auch nicht bei belebten Wesen, wo ausweislich
der Pronominalreferenz eine kategoriale Genusunterscheidung noch besteht. Hier liegt eine Veränderung der m o r -
phologischen Genusmarkierung vor. Beide Phänomene müssen streng unterschieden werden.
 
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