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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0301

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-296 -

2Ö Verbum: Die elementaren Verbalkonstruktionen
28.1 Grundlegende Beobachtungen zum napatanischen Verbalsystem
28.1.1 di als nicht-kausativisches Auxiliar
Im Napatanischen (H und N) kommt di sehr häufig als Hilfsverb in der analytischen Konjugationsform di-f sdm vor,
ohne eine kausative Bedeutung zu haben. Die di-Formen treten besonders häufig, aber nicht nur in der 1. und 2. Per-
son auf und hängen sicherlich mit den Konjugationspräfixen tw-j (f-), tw-k etc. des Präsens I im Jüngeren Agyptisch
zusammen, auch wenn sie im Napatanischen temporal nicht auf die Gegenwart festgelegt sind (für Näheres Kg5
§ 28.1.4 unci § 28.2.4). Eine gewisse Verwirrung ergibt sich zunächst durch die Tatsache, dass das ebenfalls vorkom-
mende Kausativauxiliar di (Klr' hierzu § 29.3) ganz genauso geschrieben wird. In A finden wir solche Belege nicht;
stattdessen haben wir einen Fall eines traditionell geschriebenen tw-k der zweiten Person:
• tw-k (f~ . I di-n(j) p>-w db> “du gibst mir ihren Gegenwert” (A 9).
Der nicht-kausativische Gebrauch von di wurde von Maspero und Brugsch nicht beschrieben, aber, soweit ihren
Übersetzungen zu entnehmen ist, an vielen (nicht allen) Stellen durchaus erkannt. SchXfer (1901: 6yf.) ist sich dieser
Besonderheit des Napatanischen deutlich bewusst; er identifiziert das Element di-j mit dem Koptischen f- und gibt
eine ausführliche, überzeugende Begründung für seine Auffassung. Budge (1912) hat sich dem offenbar angeschlossen.
Sämtliche späteren Bearbeiter versuchen an vielen dieser Stellen di wieder als Kausativmorphem zu verstehen.
Wirklich konsequent hält dies allerdings nur Zyhlarz durch, der auf seine Ablehnung von Schäfers Analyse auch als
einziger explizit hinweist (Zyhlarz 1961, Anm. 7 auf S. 282). Auch Hermann Grapow verhielt sich zunächst skeptisch,
wie seine unpublizierten Notizen zeigen, in denen es heißt: “Wenn resp. fCCüTÄ sein sollte (wie
Sch. meint), dann alles im Präsens erzählt!”. Allerdings scheint Grapow seine Skepsis überwunden zu haben, denn auf
einem anderen Zettel hat er Belege von di in drei Rubriken “a) sicher veranlasse”, “b) sicher Präfix” und “c) unsi-
cher” unterteilt. Wenn man die Existenz eines nicht-kausativischen di im Napatanischen leugnet, so ergeben sich vor
allem drei Problempunkte:
(1) An einer großen Zahl von Stellen müsste ein abhängiger Subjunktiv ohne overtes Subjekt angenommen werden.
Vgl. nur zwei der zahlreichen Beispiele:
di-j sj hrj (N i3)
richtig: “I went up” (Maspero 1875: 206, Budge 1912: 145), “je montai” (Maspero 1876-78: i3o), “ich stieg hinauf’
(Brucsch 1877: 23), “ich ging hinauf’ (SchXfer 1901: io3; Kormysheva 1994a: 191), “ich ging herauf’ (Priese
1963: 25), “a B30uieji” (ich stieg hinauf) (Kacnel’son 1975: 66);
falsch: “ich liess hinaufgehen” (Zyhlarz 1961: 235), “I had (everyone) go up” (Eide et al. 1996: 478).
di-k ‘s r-j (N 18)
richtig: “thou summonedst me up” (Maspero 1875: 206), “du hast mich (...) gerufen” (SchXfer 1901: 107, Priese 1963:
25), “thou didst call me” (Budce 1912: 147h);
falsch: “tu m’as fait appeler” (Maspero 1876-78: i3o), “du habest mich rufen lassen” (Brugsch 1877: 24), “du liessest
rufen nach mir” (Zyhlarz 1961: 287), “tu noBeneji npH3Barb mchr” (du befahlst, mich zu rufen) (Kacnel’son
1975: 66), “you had the call (go out) for me” (Eide et al. 1996: 479).
(2) Selbst wo ein vermeintliches Subjekt vorhanden ist, würde es von dem vermeintlichen zugehörigen Subjunktiv
fallweise getrennt stehen. Eine derartige Aufspaltung eines sdm-f gibt es im Agyptischen nie und auch im
Napatanischen sonst nicht. Vgl.:
di-jsj hrj htr c> (N 12) (hrj kann nur das Adverb “hinauf’ sein, Kif § 26.2.2)
richtig: “I went off on a great horse” (Eide et al. 1996: 477) (es muss heißen: “Ich ritt mit/ auf einem großen Pferd
hinauf’);
Verb korrekt, aber hrj fälschlich als Präposition analysiert: “I mounted a great horse” (Maspero 1875: 205, Budce
1912: 145), (wohl auch:) “je montai sur les grands chevaux” (Maspero 1876-78: i3o), “ich stieg auf grosse Pfer-
de” (SchXfer 1901: io3, Kormysheva 1994a: 191), “ceji n na öojibinoro kohh” (ich setzte mich auf ein großes
Pferd) (Kacnel’son 1975: 66);
falsch: “(...) ließ ich große Pferde kommen” (Brugsch 1877: 23), “ich liess hinauf gehen die Kavallerie” (Zyhlarz
1961: 235), “ich ließ das große Gespann heraufsteigen” (Priese 1963: 25).
(3) Wo das nicht-kausativische di mit einem echten Kausativauxiliar di zusammentrifft, würde die Leugnung des
nicht-kausativischen di zu einer ganz inakzeptablen Auffassung führen; zusätzlich wäre auch das unter 1)
genannte Problem mit impliziert. Vgl:
 
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