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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0076

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aber nur ein Liquid geschrieben wäre (Ari), ist nicht unbedenklich und kann jedenfalls nicht mit Hilfe des lautgesetz-
lichen Schwundes von r im Agyptischen des zweiten vorchristlichen Jahrtausends (hierzu Peust 1999a: § 3.14.3)
erklärt werden. Somit stehe ich Morkots Ansatz bis auf weiteres skeptisch gegenüber, zumal Denkmäler in einer ver-
gleichbaren Sprachform aus der frühen Zeit sonst nicht bekannt sind. Ablehnend verhält sich auch Zach (1998: 148),
dem allerdings Morkots Argumente noch nicht zugänglich waren.

5.5 Ari als Vertreter der “ramessidischen Renaissance”
Ari scheint einer Gruppe spätnubischer Pharaonen anzugehören, die in besonderem Maße auf die Ramessiden zurück-
gegriffen haben und stärker als Harsijotef und Nastasen ägyptisierende Tendenzen zeigen. Dies zeigt sich einerseits in
Aris Thronnamen Wsr-m2c.t-Re Stp.n-Rc, der von Ramses II entlehnt ist, aber auch in der Darstellung der thebani-
schen Triade im Giebelfeld der Ari-Stele, während bei Harsijotef und Nastasen die spezifisch nubischen Züge durch
die Verehrung explizit des Amun von Napata und die Präsenz der Königsmutter deutlicher hervortreten. Wenn man
nach den Königsnamen urteilen darf, gehören dieser pro-ramessidischen Bewegung im späten Nubien auch an:
• der zweite in der Stele des Ari erwähnte König (sein Vorgänger?) Rc-msi-(sw)-mri-[Jmn] (113? hierzu § 20), was,
wenn die Lesung korrekt sein sollte, genau dem Geburtsnamen Ramses II entsprechen würde, und
• Aktisanes, welcher den an den Namen Sethos I erinnernden Thronnamen Mn-m?.t-Rc Stp.n-Jmn führt und in die
zeitliche Nähe des Ari datiert wird (zu Aktisanes siehe Priese 1977).
Trotz der natürlich schwachen Belegsituation kann man es vielleicht wagen, hier von einer ramessidischen
Renaissance zu sprechen.5° Ari ist einer der letzten nubischen Herrscher, unter dem das Agyptische noch als
produktive Schriftsprache verwendet wird. Wenig später setzt ein kultureller Bruch in zentralen Bereichen der
Gesellschaft ein: Das Meroitische avanciert zur Schriftsprache, in der Religion gelangen Götter wie Apedemak und
Masch zu großer Popularität, von denen vorher nichts zu hören gewesen war, und auch in der Kunst findet ein deutli-
cher Stilbruch statt.
Ein kulturgeschichtlich derart gravierender Schritt wurde sicher nicht ohne vorangehende geistige Auseinanderset-
zung vollzogen. Ich vermute, dass es Befürworter einer kulturellen “Meroitisierung” gegeben haben mag, die für die
Etablierung des Meroitischen als Schriftsprache sowie allgemein für die Entwicklung der einheimischen nubischen
Kultur eintraten, während man sich auf der anderen Seite Personen vorstellen kann, die sich für eine Bewahrung und
Herausstellung der ägyptischen Komponenten ihrer Kultur entschieden. Die Könige der ramessidischen Renaissance
dürften der letzteren Fraktion angehört haben, und ihre ägyptisch geschriebenen Texte enthalten, wenn das hier skiz-
zierte Szenario zutrifft, allein schon durch die gewählte Sprache eine deutliche politische Botschaft.

6 Die sprachliche Situation in Nubien
6.1 Das Ägyptische
6.1.1 Neomittelägyptisch im Nubien des mittleren ersten vorchristlichen Jahrtausends
Aus den ersten Jahrhunderten nach der politischen Trennung Nubiens von Agypten gibt es zahlreiche neomittelägypti-
sche Inschriften, von denen zumindest ein Teil sicherlich von Einheimischen produziert worden ist, die aber spezi-
fisch dialektale Sprachmerkmale noch nicht oder kaum aufweisen. Die umfangreichsten erhaltenen Texte aus dieser
Zeit sind folgende:
7. Jhdt. Stele des Anlamani (Macadam 1949: 44-50 und Taf. 15L; Eide et al. 1994: 216-228)
7. Jhdt. Grabstele des Anlamani (Dunham 1955: 265, Taf. 66; Crocker 1991), größtenteils Sprüche aus den

50 Hintze (1973c: 134L) und Priese (1977: 35of.) sprechen ebenfalls von “ramessidischen Tendenzen” bei Ari und
einigen weiteren nubischen Königen, machen dies jedoch primär an dem Namensepitheton mri-Jmn fest. Man
hätte hier noch den neu entdeckten König Rc-msi-(sw)-mri-[Jmn] hinzuzufügen. Dieses Epitheton ist von den Ra-
messiden her wohlbekannt; es ist jedoch seit Haremhab überhaupt sehr häufig und tritt auch noch als Epitheton
zu den Geburtsnamen der meisten Könige der 25. Dynastie auf. Daher könnte mit mri-Jmn ein Rückbezug auf
diese Könige und nicht primär auf die Ramessiden intendiert sein, so dass dieses Namensepitheton zum Naeh-
weis einer spezifisch ramessidischen, ägyptophilen Tendenz nicht geeignet ist.
 
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